Die Rückkehr der Karavellen - Roman
Wollsatin der Hüften ab:
– Hol die Spielkarten raus, sagte er. Ich würde gern sehen, ob du immer noch beim Suecaspielen schummelst.
A nfangs mochte er den Largo de Santa Bárbara nicht, weil man dort weder das Meer sehen noch das Hündchenjaulen der jungen Walrösser hören konnte, die Elefantenmuscheln an den Felsen suchten. Doch wenn morgens, während er zu Bett ging, die Sonne die verglasten Balkons des Bairro das Colónias in Brand steckte, begann Manoel de Sousa Sepúlveda sich an das Fehlen der Wellen und an die Autobusse und Kutschen der Vicomtes zu gewöhnen, die die im Miasma der im Tejo versunkenen Galeeren ankernden Schiffe ersetzten.
Um zehn Uhr abends trat er in die Bar Dona Leonor (eine Hommage an die Ehefrau unter ihrem Steinengel im Lande der Menschenfresser) und dirigierte vom Tresen aus ein Rudel schmachtender Mädchen und schamloser, vom Alter hochroter Siebzigjähriger, deren Arthritis Schenkel erklomm, die in von Schlachterfleisch überquellenden Seidenstrümpfen steckten. Auf der Kommandobrücke des Tresens, von Spiegeln, Flaschenhälsen und Gläsern geschützt, pantschte Manoel de Sousa de Sepúlveda Cocktails, indem er ihnen ein Drittel Sirup aus der Apotheke oder ein Maß Antiglatzenlotion vom benachbarten Drogisten hinzufügte, hatte den Finger am Puls der Trinkereien, um Beschädigungen
des Velours der Bänke zu verhindern, regelte der Temperatur der Gäste entsprechend die Lautstärke der Musik, und um drei Uhr morgens, wenn Afonso de Albuquerque oder D. Francisco de Almeida, die Zigarettenspitze zwischen den Zähnen, die Impotenz ihrer Bärte über die Tische schleifen ließen, legte er alte Seemannslieder auf den Plattenteller, um die Säuernis der abgesetzten Vizekönige zu lindern. Um fünf Uhr weideten Mastwächter und Bankangestellte in der aus zwei übereinander angeordneten Stockwerken bestehenden Bar, auf deren Polstern hingestreckt die vom Mumps ihrer Kinder geschafften Mulattinnen von Senhor Francisco Xavier ihren Winterschlaf hielten, die Ohren der Frauen ab, von Resopalzwischenwänden verborgen, zum Klang kriegerischer Märsche, deren Molltöne gedämpft ins entfernte Moçambique und Japan gelangten. Um halb sechs, wenn die erste Helligkeit mit den Straßenlaternen kämpfte und die Vizekönige Gläser umstoßend die Strategie von Trafalgar diskutierten, hatte der stets einen Schal tragende Padre António Vieira, nachdem er aus allen Kabaretts von Lixboa geworfen worden war, einen imposanten Auftritt, trug seine Betrunkenenpredigten vor bis er, mit missionarischem Eifer Worte des Propheten Elias jaulend, zwischen zwei schwarzen Frauen auf ein Sofa sank. Um sechs Uhr sammelten die Kellner die kleinen Teller für Erdnüsse, Popcorn und Kartoffelchips ein, leerten die Aschenbecher, fegten die Scherben zusammen, die Kunden erblindeten, aus dem Schlaf gerissen, angesichts der geöffneten Fenster der leeren Diskothek, während die Mulattinnen den Hang zur Pension Apóstolo das Índias hinaufkletterten und mit brünstigen Polizisten zusammenstießen. Auf der Avenida
Almirante Reis warteten kältestarre Tippsen auf den Bus in die Baixa. Eine Trompete weckte die Kadetten der Militärakademie, die von auf ihre Soldatenlaken hingegossenen nackten Sylphiden und vollkommenen Bauchnabeln träumend ihre Phimosen hochkrempelten. Die Müllwagen käuten Unrat wieder, bewegten sich mit wogenden Halbachsenhüften zu den Ställen der Ratsverwaltung. Ein unbarmherziger Nieselregen bleichte die blauweiße Markise des Nachtclubs. Manoel de Sousa de Sepúlveda, der, in Mantel und Frackhose, von Luken geschlossener Geschäfte umringt, in der Tür stand und Padre António Vieira pompös wie einen Papst Arroios segnen und die Vizekönige mit hoppelnden, unsicheren Tanzschritten davongehen sah, verspürte wie immer jenes resignierte Angstgefühl, das nur mit dem zu vergleichen war, das er Monate zuvor an der Costa da Caparica an die rostigen Stangen des Niveaballs gelehnt durchlebt hatte, während die Wellen der Morgenröte den Strand entlangtrabten und Zigeuner ihm ihre Trauersilhouetten zuwandten. Er fühlte sich so allein, daß er dem Taxi den doppelten Preis für die Fahrt anbot, damit es ihn flugs in die Erdgeschoßwohnung am Campo Pequeno brachte, in der er lebte, und wo er sich dann hastig auszog und stundenlang auf dem Rücken liegend, an die Decke starrend, verschreckt den Geräuschen der Nachbarn lauschte.
Er hatte die Bar aufgemacht und die Wohnung gemietet, mit einem Scheck aus Belgien,
Weitere Kostenlose Bücher