Die Rückkehr der Karavellen - Roman
den Fassaden und Bettüchern, die diejenigen, die vor ihnen aus Afrika zurückgekehrt waren, ebenso zerrissen hatten wie sie die Wände beschmutzt hatten und mit dem grünen Schlamm ihrer Stiefel auf dem Dach herumspaziert waren, und dann in eine andere, zweistöckige Pension, hundert Meter weiter, in deren Schwimmbecken sich Milchkartons und Bonbonpapier häuften. Als sie das Hochzeitsfoto an ein Regal und die Nähmaschine hinter die Schleier des Vorhangs stellten, war dem Mann so, als wohnten sie auf einer Erdbebenruine oder den Resten eines aufgegebenen Friedhofs: Die zerbrochenen Lüster lösten sich von der Farbe wie noch nicht ganz geweinte Trauben der Trauer; in das Holz der Schränke hatten Messer geschnitten; die Narben der Lampenschirme, die fast nur noch aus Drahtstäben bestanden, zeugten von unbarmherzigen Kämpfen gegen arabische Gespenster; die Fahrstühle, die direkt zum Paradies fuhren, in dem der heilige Georg, als Gonçalo Mendes da Maia gekleidet, seinen Styropordrachen auf einer Terrakottawolke zermalmte, waren jammernd, als hätten sie sich
etwas verstaucht, zwischen den beiden Stockwerken kaputtgegangen.
Von der zweiten Pension, in der man nachts den Trächtigen-Hündinnen-Duft des Meeres einatmete, das in der Ferne über den Eukalyptusbäumen als dunkler Nebel zu erkennen war, der sich mit dem Himmel vermischte und in dem die großen Totenschiffe gewichtslos dümpelten, brachten sie uns mit mehr als zwanzig weiteren Familien in ein unbewohntes Haus in Ericeira, das zu den Klippen des Ozeans hin offen war und in dem die Feuchtigkeit in kleinen wasserfarbenen Vögeln kondensierte, die die Wellen von Fels zu Fels spuckten. Es mußte einem Oberst gehört haben, denn es roch nach Kasernenessensresten, und als sie die Nähmaschine unter dem Diwan versteckte, entdeckte die Frau Infanteriegamaschen, die, bereits ohne Schnallen, Schimmelkrusten ansetzten, und Radieschenstengel auf dem Fußboden. Ein aus einer Modezeitschrift Anfang des Jahrhunderts entsprungener Herr mit Mittelscheitel und gestutztem Schnurrbart steckte sie wahllos in Zimmer zusammen, die zu einem unregelmäßigen Turm mit zu den Klippen, zur Nacht und zur Mündung des Lisandro hinausgehenden Balkons übereinandergestapelt waren, er ordnete an, daß man ihnen morgens einen Kaffee und bei Anbruch der Dunkelheit eine Suppe servierte und entschwand auf Nimmerwiedersehen auf der Straße nach Lixboa an Bord eines Jeeps, der von einem Seemann gesteuert wurde, der erdverbundener war als ein Maulwurf, der seit langem schon die Windseite des Abenteuers verlernt oder sie nie gelernt hatte.
Zu jener Jahreszeit, fast im Oktober, gab es noch ein
halbes Dutzend Leute, die Ferien in Ericeira machten, und ein paar Sonnensegel am eisigen Strand vor den Gassen mit ihren alten, Pissoirs ähnelnden Villen, die von wildem Wein und Skorpionen eingenommen waren. Der Wind trug das Glockenspiel von Mafra herüber, das wie der ferne Blick in Luft aufgelöster Großeltern klang. Der Oktober und sein Rauch gab ihnen das Gefühl, in einer beinahe aufgegebenen kleinen Stadt zu sein, mit engen Fußsteigen, auf denen selten Schiffsjungen auftauchten, mit Fischkuttern, die nie in See stachen, und so alten Menschen wie sie selbst auf dem Vorplatz der leeren Kirche, in der holzgeschnitzte Heilige sich in düsteren Drohungen vorbeugten. Die Kälte ließ die Nadeln der stillstehenden Nähmaschine rosten, obwohl die Ehefrau von allen Hemden und allen Jacken die Knöpfe nur aus der Gewohnheit heraus abriß, sie wieder anzunähen. Regenversprechen, das die Simse der Dächer entzweite. Die Bäume welkten auf dem Platz dahin, warfen wahllos die ausgebreiteten Glieder von vier oder fünf Zweigen in Panik hoch. Der Morgenkaffee schmeckte nach dem Schlamm, der, den Seufzern des Wassers entsprechend, in den eingedellten Abflüssen der Bidets aufstieg. Das Hochzeitsfoto war inzwischen zu einem vollkommen undeutlichen Fleck ohne Umrisse außer dem vorgestellten Lächeln der Frau geworden, die aus Scham und Überraschung errötete. Der Mann erinnerte sich an das letzte Mal, als er ihre Stimme gehört hatte, in Bissau, als sie ihm nach dreiundfünfzig Jahren Afrika sagte, Ich gehöre nicht mehr hierher, und daran, wie sie die Gewohnheit, miteinander zu sprechen, ganz aufgegeben hatten, über ein schematisches Alphabet von ausweichenden Gesten miteinander redeten, und beschloß, sie
trotz ihres Alters dazu einzuladen, das Leben noch einmal an irgendeinem Ort der Welt ganz neu
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