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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Gewusel von Nachbarn und Hunden. Man erkannte das Meer durch die Lücken zwischen den Tauben und dem ruhmreichen Spiel verstohlener Gassen, melancholischen Zeitungsredaktionen und zu Gerümpelläden umgewandelten Fadolokalen. Wir stiegen die Stufen hinauf und stolperten über den Geruch der Abendessen vom Vortag auf Flickschneiderinnenetagen, bis wir auf ein Wesen im Morgenmantel mit etwa zehn Kindern darum herum stießen, auf ein riesiges Radio, das ferne Stimmen knisterte, und auf einen Alten, der auf einem zerschlissenen Kissen schlief, von Kästen mit Blumen bedrängt, die ihn mit der langsamen Verschlagenheit von Pflanzen strangulierten und die ganze Wohnung einnahmen und die Möbel, die Kinder, den Gaszähler über die Fensterbrüstung hinweg zu den Marktschreiern auf die Straße warfen.
    Wir konnten uns in der dichten Atmosphäre aromatischer Blätter kaum bewegen, die Verstopfung, Elefantiasis, männliche Unfruchtbarkeit, Katalepsie und konvergierenden Strabismus kurieren sollten. Bei Tisch kam ein haariges Tentakel, das garantiert bei Masern helfen sollte, bei den
Kartoffeln vom Mittagessen stets der Gabel zuvor; rote Staubfäden saugten leise pfeifend die Fleischsauce auf; die fleischfressenden Tulpen gegen Sinusitis mußten in ihren Töpfen festgekettet werden, damit sie die Menschen nicht verschlangen. Hin und wieder summte ein schmerzliches Wispern aus Kanada oder Macau im Radio Hallo P 34 , Hallo P 34 , hier JS 90 over, und Garcia da Orta unterbrach sofort seine Erklärung über den Anbau eines bestimmten, zur Abschaffung der Hühneraugenmarter dienenden Fruchtkerns, bewaffnete sich mit einer Machete und einem Helm mit Visier und brach in Richtung Apparat auf, wobei er ein Dickicht von Ranken verstümmelte, die die Haut von Furunkeln, Mitessern und unterschiedlichem Juckreiz reinigen sollten. Wir vergaßen die Löffel, ließen die Suppe stehen, waren besorgt, einige der Kinder schluchzten an die Mutter geklammert, die mit dem Taschentuch Lebewohl zum gesundkurierenden Wald winkte, und Stunden später hörten wir erleichtert eine Reihe wirrer elektrischer Purzelbäume und die Schreie des überlebenden Funkamateurs, der voller Überzeugung erklärte, Hier P 34 , hier P 34 , over.
    Der Mann namens Luís erhielt im Tausch gegen eine Milchflasche mit der Leiche seines Vaters ein Bett in der Rua do Norte und gewöhnte sich allmählich nicht nur daran, an den Herd geschmiegt auf den Fliesen der Küche zu schlafen, wo sich die Heilpflanzen in ihrer Hungergier damit begnügten, mit malmenden Backenzähnen Polypen und Wurzeln in die Müllbehälter zu tauchen, sondern auch an die Unbekannten aus Korea oder Bulgarien, die mit dem Kellner der Kaffeelimonaden des Bahnhofs chiffriert über die neuen Vergaser der Autos aus Tokio oder das Jahresprogramm
des Volksballetts von Sofia redeten. Morgens verscheuchte die Ehefrau mit den Händen die vorwitzigen Büsche, die sie am Kochen hinderten, indem sie sich des Reiswassers bemächtigten, eine Liliane pflückte sich wahllos ein Kind und verschwand in schwammigem Laub, und der Mann namens Luís ging, wenn er die Blumentöpfe mit einer Prise Vater begossen hatte, hinunter ins Stadtviertel, um an den mörderischen Diskussionen der Fischfrauen mit ihren riesigen, vor Wut dröhnenden Kehlen teilzuhaben, und den stolzen Gang der Zigeuner zu bewundern, die ihre Wagen voll lärmenden Elends auf dem Steinpflaster der Straßen hinter sich herzogen, oder um vom oberen Teil der Rua do Alecrim aus den Cais do Sódré und das Hüftewiegen der Karavellen dort unten zu betrachten. Er arbeitete in einer kleinen ruhigen Konditorei weiter am Gedicht, in der glatzköpfige, von keuschen Sehnsüchten durchdrungene Witwer in kleinen Schlucken den Zitronentee der ewigen Erkältungen tranken, während ich, von ihrem Husten und der Beharrlichkeit der Schmeißfliegen auf den Bohnenküchlein unbeeindruckt, mit einem Glas Martini in Reichweite des Bartes Stürme und Götterkonzilien verfaßte.
    Wenn ich mich auf dem Heimweg der Rua do Norte näherte, hörte ich gleich auf dem Platz mit meiner Statue in der Mitte trotz der Motoren in den Schlosserwerkstätten, des Knallens der Poliertücher der Schuhputzer und der Hämmer der Tischlereien das mondene Beben der bei Verdauungsschwierigkeiten nie versagenden Glycinien, die voller Gier nach auf den Dächern vergessenen Taubeneiern gegen die Bretter der Balkons kämpften, und gleich darauf Garcia da Orta, der brüllend wegen der Hoffnung auf die
Besserung

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