Die Rückkehr der Königin - Roman
wollte dich nicht kränken«, sagte er. »Nun, dann sind wir uns einig – Qi’Dah und ich verlassen dich morgen. Ich bin rechtzeitig zur Krönung zurück ... falls du immer noch deine Proklamation machen willst.«
»Allerdings, Erbe von Roisinan«, erklärte Anghara.
Favrin lachte, und Anghara erhob sich anmutig. »Morgen wird wieder ein schwerer Tag. Ich danke dir für den heutigen Abend und freue mich auf deine sichere Rückkehr.«
»Deine Gäste müssten schon bald eintreffen und die Lücke füllen, die ich hinterlasse«, sagte Favrin lässig, aber mit einem leicht boshaften Funkeln in den Augen.
Aber Anghara schluckte den Köder nicht. »Ja, schon möglich«, meinte sie vergnügt.
Und die Gäste kamen. Eines Tages waren sie einfach da. Angharas Freunde aus Kheldrin, als wären sie in der Festung direkt aus dem Nichts aufgetaucht. Sie kamen auf die kalten Winterwinde Miraneis vorbereitet in ungewöhnlichen Gewändern und shevah -Pelzen, dazu trugen sie Umhänge aus gegerbtem haval’la -Leder. Trotzdem blieben sie beinahe unsichtbar. Anghara hätte fast einen alten Freund überrannt, ohne ihm einen Blick zu schenken. Er stand unauffällig an der Seite und hatte ihr Platz gemacht. Dann sprach er sie von hinten an. Ein Name genügte, um sie erstarren zu lassen, denn er war in einer Sprache ausgesprochen – und einer Stimme –, die den heißen Atem der Wüste in die kalten Steinmauern der Festung brachte.
»Sei gegrüßt, ai’Bre’hinnah«, sagte al’Tamar ruhig.
Ganz langsam drehte Anghara sich um. Tränen stiegen ihr unerwartet in die Augen. »Willkommen«, sagte sie und streckte ihm die Hände entgegen. »O, herzlich willkommen!«
»Ich dachte, du wärst hier in Sheriha’drin anders«, sagte al’Tamar nach einer Pause. »Aber ich hätte es wissen müssen – es ist die Natur der Wandlerin stets unverändert zu bleiben.«
»O, ich habe mich verändert«, widersprach Anghara und lächelte sanft.
Anfangs sah es so aus, als wolle al’Tamar widersprechen, doch dann verhüllte er die Augen unter goldenen Wimpern und verneigte sich zustimmend tief nach Art der Wüste.
»Wo sind die anderen?«, fragte Anghara aufgeregt.
»Sie warten. Komm! Ich bringe dich zu ihnen.«
Es waren weniger gekommen, als Anghara erwartet hatte. Nur eine Handvoll. Als Erster begrüßte sie al’Jezraal. Er war unverändert, sein Haar vielleicht einen Hauch goldener, aber ansonsten sah er genauso aus, wie an dem Morgen, als sie mit ihrer Traumvision zu ihm gegangen war – vor einem halben Leben. Er begrüßte sie mit der gleichen ernsten Höflichkeit.
»Es ist viel geschehen, seit du in der Harim Khajir’i’id warst«, sagte er. »Es erfreut mein Herz, dich so wohl zu sehen und dass du bekommen hast, was dir zusteht. Gul Khaima hat uns gesagt, das würde so kommen. Aber ich bringe auch traurige Nachrichten. Eine, von der du dir gewünscht hast, sie hier zu sehen, spürt jetzt ihr Alter und ist nicht länger imstande zu reisen. Ich befürchte, sie wird ihre hai’r nicht mehr verlassen.«
Ai’Jihaar ...
Von irgendwo aus weiter Ferne kam das Echo einer Antwort auf den Namen, den Angharas Gedanken hinausgeschickt hatten.
Es gibt Dinge, die selbst eine Wandlerin nicht zweimal tun kann. Ich habe mein Leben aus deinen Händen empfangen, als du al’Khur in der Khar’i’id begegnet bist, aber al’Khur ist fort. Du bist alles, was übrig geblieben ist, und du kannst nicht allein kämpfen. Ich hatte ein gutes Leben – und jetzt ist meine Stunde schließlich gekommen. Bleib gesund, werde glücklich, Kind meines Herzens ...
»Ich hätte mir gewünscht, dass sie sieht wie ...«, murmelte Anghara.
»Sie muss nicht anwesend sein, um zu sehen«, sagte eine andere bekannte Stimme. Gold blitzte, als ai’Farra ma’Sayyed vortrat, um Anghara zu begrüßen. Die Augen der Priesterin waren weicher als sonst und in ihnen stand Mitgefühl. Sie trug sämtliche Insignien ihres Rangs und hatte die Annehmlichkeiten eines warmen Umhangs zurückgewiesen. In ihrem goldenen Gewand und einer Masse von say’yin’en bot sie einen prächtigen Anblick. An ihrem Gürtel steckte der schwarze Dolch ihres Amtes in der Scheide. Sie lächelte ein wenig schief, als sie sah, wie Angharas Blick darauf fiel.
»Ja, die Alten Götter sind tatsächlich fort«, erklärte sie. »Aber es gibt Zeiten, da ich noch immer versuche auf die alte Art mit ihnen zu sprechen. Sie antworten nie ... aber vielleicht werden sie eines Tages zurückkehren. Doch wir sind
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