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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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schmerzhafter Erinnerungssplitter schoss hervor. Noch vor Kurzem war es ihr schwergefallen zu glauben, dass es hinter den Bergen, welche die Wüste vom Meer trennten, etwas anderes als den gelben Wüstensand der Arad Khajir’i’id gab. Jetzt fiel es ihr ebenso schwer zu glauben, dass es außer diesem feuchten Abend am Strand von Roisinan noch irgendetwas anderes auf der Welt gab. Als sie von Bord ging, steckte in ihrer Kehle ein Kloß, den sie nicht herunterschlucken konnte. Sie war in der Landestracht Roisinans gekleidet und trug den Umhang, der einmal Kieran gehört hatte. Sie hatte ihn aus Cascin mitgenommen und während der Jahre in Bresse und im Land des Zwielichts wie einen Schatz gehütet – ihre kostbaren Kleider aus Kheldrin trug sie in einem Bündel in der Hand. Zu Hause. Sie war zu Hause. Sie kannte alles an diesem Ort, alles hier war in ihre Seele eingebrannt. Vor Freude vergaß sie für einen Moment, weshalb sie aus Roisinan geflohen war, und den Käfig, den sie damals über einer Straße in eben dieser Stadt hatte hängen sehen.
    Einen Herzschlag lang stand Anghara reglos da und hob ihr Gesicht in den feinen Regen, wie es Kieran früher in Cascin stets gemacht hatte, und aus dem gleichen Grund wie er – in den letzten zwei Jahren hatte sie nicht oft Wasser gesehen, ganz zu schweigen von Regen. Die wenigen heftigen Stürme, die sie in der Wüste erlebt hatte, waren etwas völlig anderes als was sie jetzt genoss – sie hatte beinahe vergessen, wie sich Regentropfen auf der Haut anfühlten. Verzückt schloss sie die Augen. Wäre sie etwas aufmerksamer gewesen, so hätte sie bemerkt, dass ihr Gesicht im Licht einer nahen Fackel deutlich erkennbar war. Die Kapuze verbarg nur wenig. Ein Mann stand einige Schritte entfernt und unterhielt sich mit dem Kapitän eines anderen Schiffs, welches fast gleichzeitig mit ihrem in den Hafen eingelaufen war und neben ihnen festgemacht hatte. Wie beiläufig streifte sein Blick die Passagierin, die gerade das Kheldrini-Schiff verlassen hatte. Dann musterte er sie wieder, diesmal schärfer und interessierter. Ehe Anghara die Augen wieder öffnete und den Kai verließ, beendete der Mann abrupt das Gespräch mit seinem Freund und wartete im Schatten. Als Anghara weiter in Richtung Calabra ging, um sich ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen zu besorgen, folgte er ihr in klugem Abstand.
    Anghara wählte nicht die Herberge, wohin sie ai’Jihaar bei ihrem letzten Aufenthalt hier geführt hatte. Dort waren zu viele Erinnerungen, selbst für sie; und es war eine Herberge, in der die Händler aus Kheldrin oft übernachteten, wenn sie nach Roisinan kamen. Anghara wollte nach Roisinan zurückfinden und nicht in Erinnerungen an Kheldrin schwelgen. Sie entschied sich für eine solide roisinische Pension gleich am Kai. Sie hatte sogar vor, sich eine Zeit lang in die Schankstube zu setzen und dem Klang ihrer Muttersprache zu lauschen, die sie nicht gehört hatte, seit sie Calabra vor zwei Jahren verlassen hatte – abgesehen von ai’Jihaar ganz am Anfang und al’Jezraals überraschenden Sprachkenntnissen aus Shaymir. Doch kaum hatte die füllige Frau des Wirts ihr das Zimmer gezeigt, war die Verlockung des schmalen Betts zu groß. Anghara hatte gar nicht gemerkt, wie müde sie war und wie viel Kraft ihre Gefühle sie kosteten. Seit ihrer Abreise aus Sa’alah, hatte sie fast nur von Gefühlen gelebt, die heute Abend ihren Höhepunkt erreichten. Sie hatte Zeit – Zeit für alles. Jetzt aber erinnerte sie ein kräftiges Gähnen daran, das es am besten sei, wenn sie eine Nacht gut schlief. Sie schickte sich darein und verschob einen Besuch in der Schankstube auf ein andermal.
    Ihre Träume waren seltsam, gespickt mit eigenartigen Vorahnungen, an die sie sich, als sie am nächsten Morgen aufwachte, nur vage aber nicht vollständig erinnern konnte. Noch beim Ankleiden dachte sie darüber nach, bis sie hinaustrat und begann, Roisinan zurückzuerobern. Sie schloss die Tür und ließ die Träume hinter sich. Eine milchige Sonne schien von einem blassblauen Himmel. Die Luft war frisch und kühl nach dem Regen der vergangenen Nacht. Der Tag war vielversprechend. Anghara atmete tief ein, als sei die Luft süßer Wein. Doch dann richtete sie ihre grauen Augen entschlossen auf das, was vor ihr lag.
    Der erste Punkt auf ihrer Tagesordnung war der Kauf eines Pferdes. Anghara gestattete sich einen kurzen, reumütigen Gedanken an den grauen dun, auf dem sie nach Sa’alah geritten war –

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