Die Rückkehr der Königin - Roman
er. »Nach Vaters Tod, als sie neue Gemächer bezog, fiel einem Träger ein Bündel aus der Hand und rollte eine Treppe hinunter. Es landete direkt vor meinen Füßen. Ich hob es auf, und entdeckte das Wappen unter den Intarsien. Was tat meine Mutter mit einem verborgenen Geschenk der Kir Hama? Ich schickte einen Mann aus und fand die Wahrheit heraus. Ich weiß das alles nur wenige Wochen länger als Ihr.«
»Und mit dieser Wahrheit bewaffnet kommt Ihr allein nach Miranei und bietet sie mir umsonst an?«
Er zögerte. Offenbar war er sich seiner eigenen Motive nicht sicher. Sie hatte eine ungemein vernünftige Frage gestellt, aber wie er feststellen musste, kannte er die Antwort nicht. »Ich wollte nur ...«
»Aber seht Ihr denn nicht?«, unterbrach ihn Anghara. »Ihr habt uns gerade den Ausweg dieser unmöglichen Situation gezeigt!«
»Habe ich das?« Favrin schaute sie verständnislos an.
»Ihr habt eine ehrenhafte Möglichkeit für Euch aufgezeigt, diesen unseligen Krieg zu beenden«, erklärte Anghara und umfing seinen Arm.
»Nun mal langsam«, sagte er und legte seine auf ihre kleine Hand. »Was denkst du, Hexlein?«
Sie lächelte ihn verschmitzt an. »Wenn Dynan das Zweite Gesicht besaß, dann gewiss auch Isel – und das bedeutet, dass auch Ihr Hexerblut in Euch tragt. Passt gut auf Euren Erben auf.« Favrin verzog das Gesicht und nahm diesen Schlag hin. »Ich soll bald gekrönt werden. Was ist, wenn ich laut königlicher Proklamation erkläre, dass ich Euch zu meinem Erben einsetze, falls ich kinderlos bleibe?«
Jetzt blickte er nicht mehr verständnislos, sondern völlig verblüfft drein. »Was?«
»Wollt Ihr nicht Roisinans Erbe sein?«
»Ich war schon viel zu lang ein Erbe«, antwortete Favrin aufgebracht. »Außerdem werden viele bemerken, dass ich als nominierter Erbe lediglich Euch beseitigen muss, damit alles mir gehört.«
»Wärt Ihr mit Tath zufrieden?«
»Ja, verdammt!« Das Zugeständnis fiel ihm schwer – zumindest ihr gegenüber, die das Geburtsrecht über ein Reich besaß, das sehr viel größer und reicher als sein eigenes war.
»Dann nehmt es und haltet es!«
»Und wenn Ihr einen anderen Erben bekommt?«
»Seid Ihr immer noch König in Algira«, erklärte Anghara. Ihre Stimme klang ruhig, aber sie errötete heftig. »Und Ihr bleibt zweiter in der Thronfolge.«
Favrin grinste wie ein gefährliches Raubtier, was in völligem Gegensatz zu der Fröhlichkeit stand, die in seinen Augen tanzte. »Noch mehr Leute zu beseitigen«, neckte er.
Anghara brauchte einen Moment, bis sie es begriff, dann lachte sie laut. »Das meint Ihr nicht ernst – Ihr seid stark genug, Eure Barone in Schach zu halten. Als Ihr euch nach Miranei hereingeschlichen habt, habt Ihr bestimmt nicht daran gedacht, ein Gewand mitzubringen, das dem Erben einer Königin würdig ist, oder?«
19
»Angeblich war Sifs Krönung so prachtvoll, dass sie alle bisherigen in den Schatten gestellt hat«, sagte Anghara. »Schach.«
»Ihm blieb nichts anderes übrig«, sagte Favrin über das Spielbrett gebeugt und runzelte die Stirn. »Er musste das Bild von ihm als Dynans Sohn und siegreichem Helden verstärken und die Erinnerungen an seinen Einzug nach Miranei, deinen angeblichen Tod und Königin Rimas blutiges Ende auslöschen. Das war eine Menge, das die Menschen vergessen sollten. Dazu war ein grandioses Spektakel notwendig.« Favrin grinste hämisch und wischte Angharas angreifende Figur mit einer lässigen Handbewegung vom Brett. »Und Schach!«, sagte er. »Ich glaube, ich gewinne schon wieder.«
Anghara blickte ihn finster an. »Ihr mit euren südländischen Tricks«, sagte sie. »Sie sind so hinterhältig ... und es dauert immer so lange.«
»Für ein entscheidungsfreudiges Volk wie eures im Norden gewiss. Ihr rennt in engeren Kreisen herum als eine Katze, die den eigenen Schwanz verfolgt. Wir faule Menschen aus dem Süden brauchen vielleicht länger, um an ein Ziel zu gelangen, aber zumindest wissen wir, wohin wir gehen.«
Anghara schaute ihn an und war bereit, ihr Volk und ihr Reich zu verteidigen, besann sich dann aber und lachte lauthals. Seit Sifs Beerdigung waren zehn Tage vergangen, und dieser Abend mit Favrin war ihre erste Gelegenheit, den endlosen Plänen für ihre Krönung zu entkommen. Diese schienen ihre gesamte Zeit zu beanspruchen; ständig war sie in irgendwelche endlosen Besprechungen verstrickt. Diejenigen, die die Krönungszeremonie organisierten, stritten über jede Kleinigkeit. Sämtliche
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