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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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Musik spielen. Manchmal mischte sich eine melodische Note dazu, entweder kurz wie ein Aufschrei, oder lang und langsam abklingend. Die junge Frau beachtete die Geräusche nicht. Sie hörte sie nur, wobei ihr Verstand automatisch notierte, dass es keine Gefahr gab und alles in Ordnung war. In den acht Jahren hatte sie sich längst an das »Singen« der Geräte gewöhnt. Es begleitete das Schiff auf seinem ganzen Weg, ohne auch nur für eine Minute zu verstummen, nicht einmal dann, wenn das Schiff auf der Oberfläche eines der Planeten stand, die es besucht hatte. Nur eine Katastrophe konnte es zum Schweigen bringen - und zwar die letzte und nicht wieder gutzumachende.
    Vor acht Jahren hatte die Frau noch nicht die unerschütterliche Ruhe besessen, die ihr jetzt eigen war. Sie dachte mit stockendem Atem an die Möglichkeit einer Katastrophe - nein, sie hatte keine Angst davor, sondern dachte nur mit besorgter Neugier daran. Ein Mensch hat Angst vor dem Tod, wenn er sich nicht von geliebten Freunden oder Verwandten trennen will — und die junge Frau hatte keine Freunde oder Verwandte mehr. Sie waren alle vor langer, langer Zeit gestorben, damals in den kurzen und so schnell vergangenen Monaten, als das Schiff das zweite Flugjahr angetreten hatte. Sie und ihre Kameraden hatten damals schwere Tage durchlebt - aber nichts bedauert. Sie wussten, worauf sie sich eingelassen hatten, und für Kleinmut war in ihren Herzen kein Platz. Sie trauerten nur um die unwiederbringliche Vergangenheit
    - und jeder Augenblick, der in ihr verschwand, trug sie immer weiter fort von dem, was ihnen lieb war, von allen, die sie kannten und liebten. Jede durchlebte Sekunde legte sich wie eine unbezwingbare Mauer zwischen sie und die Erde, eine Mauer, die noch unüberwindbarer war als der Weltraum selbst. Sie hatten den Weltraum überwunden und kamen nun wieder zurück. Aber die Zeit konnten sie nicht mehr überwinden. Ihr Flug hatte acht Jahre gedauert, und alle Besatzungsmitglieder waren acht Jahre älter geworden. Nicht mal so viel! Aber auf der Erde würden sie niemand mehr treffen, den sie kannten, nichts mehr, was ihnen bekannt und vertraut war. Und sie wussten es. Dort, auf dem Heimatplaneten, war nun alles anders.
    Jetzt hatte die Frau keine Angst mehr vor dem Tod - sie würde ihn lediglich mit einem Lächeln empfangen. Nur noch ihr Pflichtbewusstsein hielt sie am Leben. Die Ergebnisse der Expedition mussten an die Menschheit weitergegeben werden, denn sie waren wichtig und wertvoll. Was auch immer passieren mochte, mindestens ein Mitglied der Besatzung musste um jeden Preis auf die Erde zurückkehren. So dachten sie alle in den letzten Flugjahren. Früher hatte die junge Frau eine undeutliche Hoffnung gehabt, dass sie im Falle eines Unglücks dieses eine Mitglied sein würde. Jetzt war es ihr auch gleichgültig.
    Ein Lämpchen auf der Konsole blinkte. Die Frau beachtete es nicht — sie wusste, dass es ein Signal für die geöffnete Tür zur Brücke war. Ein Mann kam herein, der ebenfalls einen braunen Lederoverall anhatte, dunkle Augen und eine dunkle Hautfarbe besaß. Eine tiefe Narbe lief quer über seine Stirn und die Wange.
    Der Mann kam zur Konsole und blieb hinter dem Sessel stehen. Die junge Frau drehte sich nicht um. Sie sagte nur ohne fragenden Tonfall, weil sie vollkommen sicher war, dass sie sich nicht irrte: »Bist du das, Wiktor?«
    Der Mann antwortete nichts. Er beugte sich nach vorne und sah sich konzentriert den gelben Diamanten der Sonne an, der inmitten der Unmenge anderer Sterne glitzerte. Die Frau drehte den Kopf, sah sich Wiktors Profil direkt neben ihrem Gesicht an und rückte ein wenig davon weg. Sein Gesichtsprofil erinnerte an einen Raubvogel, und die Flügel der dünnen Hakennase zuckten nervös. »Die Sonne!«, sagte sie.
    »Was für eine Freude«, erwiderte er ironisch. »Wir brauchen aber keine Sonne, wir brauchen die Erde.«
    »Sie ist doch dort, direkt neben der Sonne«, die Frau streckte die Hand zum Bildschirm aus.
    »Ja.« Er richtete sich hinter ihr auf. »Genau. Dort ist ein Planet, der dritte Planet, wenn man vom Zentrum des Sonnensystems aus sieht, aber nicht die Erde. Nicht unsere Erde, die wir vor acht Jahren verlassen haben. Dort ist ein fremder und unbekannter Planet — nur ein weiterer Planet, und nichts mehr.«
    Die junge Frau berührte seinen Arm mit den Fingerspitzen. »Tu das nicht, Wiktor!«, sagte sie flehend. »Warum quälst du dich selbst so? Hast du das denn nicht gewusst, als wir

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