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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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dachte, dann hätte er sein Vorhaben mit größter Mühe verwirklichen und das Wissensniveau des neuen Jahrhunderts erreichen können. Aber weil er noch nicht lange in dieser neuen Welt war, wusste er nicht, dass es das Hirngewebe selbst war, das sich verändert hatte, dass in den letzten Jahrhunderten viele neue Gehirnzentren entstanden waren und sich weiter entwickelt hatten, Gehirnzentren, die sich rein qualitativ von den früheren unterschieden. Es hätte der Verstand von Io, Lucius oder anderen modernen Menschen sein können, der das gesamte kolossale Erbe der Jahrhunderte aufnehmen könnte, aber auf keinen Fall der von Wolgin. Dafür verfügte sein Gehirn nicht über das nötige Volumen und Gewicht. Die Menschen, die Wolgin umgaben, waren nicht umsonst viel größer und massiver als er - das Gehirn, das sich weiter entwickelt hatte, brauchte eine neue Hülle, was zur Folge hatte, dass der Kopf größer wurde und der gesamte Körper ihm folgte. Die neuen Zeitgenossen von Dmitrij Wolgin waren nicht nur in mentaler, sondern auch in physischer Hinsicht völlig anders.
    Aber Wolgin konnte es noch nicht begreifen.
    Und er zweifelte auch nicht an seinem Erfolg. Er würde viel und hart an sich arbeiten müssen - nun, dazu war er bereit. Und so bereitete er sich leichten Herzens auf die Reise vor, die für ihn so etwas wie ein Aufwärmtraining werden sollte.
    An seine Vergangenheit dachte Wolgin immer seltener. Die Sehnsucht nach seinem Jahrhundert kam jetzt nur noch beim Lesen moderner Bücher, und er war sogar froh, dass er für einige Zeit von der Notwendigkeit zu lesen und zu vergleichen befreit war. Er würde die Gegenwart während seiner Reise sicher mit seiner Vergangenheit vergleichen wollen, aber das würde bestimmt ganz andere Empfindungen hervorrufen, die ihm schon von den früheren Reisen aus der Sowjetunion nach Westeuropa bekannt waren. Damals hatte er das fremde Leben genauso mit dem in seinem Land verglichen. Er wusste, dass alles, was er sehen würde, viel moderner wäre als das, was er jemals gesehen hatte, hatte aber keine Angst davor. Psychologisch hatte er sich schon seit langem darauf vorbereitet, dass die Vergleiche bestimmt nicht zugunsten des Alten ausfielen — anders hätte es ja auch kaum sein können. Die Lebensbedingungen, wie er sie kannte, verwirrten ihn auch nicht mehr — in den vier Monaten hatte er sich an sie gewöhnt und nahm sie nun als selbstverständlich hin. Es war einfach nur die natürliche Fähigkeit des Menschen, sich an alle möglichen Bedingungen anzupassen. Ohne zu verstehen, wie sich der Komfort und die Bequemlichkeiten seines jetzigen Lebens genau erklären ließen, machte Wolgin von ihnen Gebrauch wie von etwas, das für ihn selbstverständlich war.
    Er hatte sogar gelernt, die Bioströme seines Gehirns zu steuern - unbewusst, so wie Kinder ihre Arme bewegen und gehen lernen. Und die Biotechnik der Neuen Ära, zumindest die, die es in Muncius’ Haus gab, gehorchte ihm widerspruchslos, weil sie sehr einfach war. In den ersten Tagen, als er zu einer Tür kam und wünschte, dass sie sich öffnete, zuckte Wolgin jedes Mal zusammen, wenn sie es tatsächlich tat, jetzt beachtete er es gar nicht mehr. Es hatte ihm niemand erklärt, wie genau er die unsichtbaren Mechanismen in Gang setzen sollte - es war von ganz alleine gekommen und sehr schnell zu einem bedingten Reflex geworden. Wenn er nun zu einer Tür oder zu einem Wasserhahn kam, dachte er nicht mal mehr daran, dass die Tür sich öffnen oder das Wasser fließen sollte. Er wünschte es einfach, sogar ohne diesen Wunsch zu bemerken - und der Wunsch, der in seinem Gehirn erzeugt wurde und genau dem Biostrom entsprach, wurde von einem versteckten Empfänger aufgefangen und in die Energie umgewandelt, die genug Leistung hatte, um das Wasser fließen und die Tür sich öffnen zu lassen. Das alles kam Wolgin nicht mehr seltsam vor, sondern ganz natürlich, wenn auch immer noch unklar. Er hatte sein ursprüngliches Ziel noch nicht erreicht, war aber gut genug darauf vorbereitet, sich in der Welt, die ihn erwartete, zu orientieren und nicht immer wieder über sie zu staunen.

Kapitel 2
1
    »Hast du dich auf eine Route festgelegt?«, fragte Wladilen.
    »Ja«, sagte Wolgin. »Ich habe zunächst noch nicht vor, alle Kontinente zu bereisen — das kann ich auch später machen. Jetzt will ich erst mal in meine Heimat fahren ... dort, wo früher Russland war«, erklärte er. »Ich weiß, dass Moskau und Leningrad noch da sind - mit

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