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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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konzentriert war - aber im Vergleich zu den Menschen, die ihn jetzt umgaben, war er einfach nur zurückgeblieben und im Wesentlichen absolut ungebildet. Wenn er jetzt verstehen wollte, wie zum Beispiel ein Teleoff funktionierte, dann wäre es für ihn genauso schwer, wie es für einen Indianer aus südamerikanischem Dschungel schwer wäre, einen Fernseher aus dem zwanzigsten Jahrhundert zu verstehen.
    Über all das war sich Wolgin im Klaren (oder zumindest dachte er, dass er sich darüber im Klaren war) und verlangte nicht nach Erklärungen, die ihm keiner geben konnte. Er würde von Anfang an lernen und mit der Zeit sicher alles verstehen können — das erschien ihm offensichtlich und löste keine Zweifel aus. Und vielleicht war es auch besser für ihn, dass er so dachte.
    Für den Unterricht hatte er jetzt aber keine Zeit. Es waren ganz andere Lernaufgaben, die auf ihn warteten - er musste sich das Leben der modernen Gesellschaft klar machen. Und diese Aufgabe erschien ihm auch viel wichtiger und notwendiger. Das alles hatte sich von allein ergeben — und das war wiederum besser für Wolgin, auch wenn er die ganze Wichtigkeit und die rettende Wirkung dieser Tatsache nicht begreifen konnte. Bis zur bitteren Enttäuschung, die in der Zukunft unvermeidlich eintreten würde, war es jetzt noch ein weiter Weg.
    Es war erstaunlich, dass Muncius trotz seiner gesamten Erfahrung immer noch nicht begreifen konnte, dass die moderne Wissenschaft für Wolgin unzugänglich war, und ihm offenherzig versicherte, dass das Verstehen nur eine Frage der Zeit war. Aber Lucius und Io war diese Tatsache längst klar geworden — und sie dachten voller Sorgen an den Tag, an dem Wolgin seine Lage begreifen und verstehen würde, dass er für immer dazu verurteilt war, am Rande des Lebens zu bleiben und sich mit der Rolle eines passiven Beobachters zufrieden zu geben. Diese Gedanken waren für die beiden einfach unerträglich. Was würde Wolgin selbst dazu sagen? Würde es nicht eine viel größere Tragödie werden als die, vor der sie sich vor Wolgins Wiederbelebung gefürchtet hatten? Ob die Gefahr der Einsamkeit, vor der Muncius sie so beharrlich gewarnt hatte, sich vielleicht genau an dieser Stelle verbarg? Sie dachten mit Entsetzen daran, dass der alte Historiker am Ende doch Recht behalten könnte und Dmitrij Wolgin, den sie so sehr liebten, dann vor eine grausame Tragödie gestellt werden würde. Sie hatten sich unsäglich gefreut, als sie davon erfuhren, dass Wolgin seine vorherige Entscheidung, nur nach Vollendung seiner »Bildung« in die Welt zu gehen, geändert hatte und zuerst die Erde und die Menschen kennen lernen wollte. Die vielen neuen Eindrücke sowie die heilende Wirkung einer solchen Bekanntschaft mussten den Schicksalsschlag, der auf ihn wartete, auf jeden Fall dämpfen können. Lucius und Io dachten bereits jetzt darüber nach, womit sie Wolgin nach der Rückkehr von seiner Weltreise beschäftigen und in welche Richtung sie seine Gedanken lenken sollten, um ihn von der Rückkehr zu den Büchern abzubringen, und wenn es nur für ein paar Jahre sein sollte. Nachher, dachten sie, würde es für ihn sicher leichter werden. In der Tiefe ihrer Herzen hegten sie sogar die Hoffnung, dass Wolgin diesbezüglich unwissend bleibend würde.
    Aber das würde er nicht.
    Wolgin dachte oft an seine Zukunft. Von Lucius wusste er, dass er sehr lange leben würde - zwar nicht so lange, wie die heutigen Menschen lebten, aber dennoch viel länger, als es in seinem ersten Leben gegangen wäre. Und die Frage, womit er dieses lange Leben ausfüllen sollte, beschäftigte ihn die ganze Zeit. Er war schon immer ein wissbegieriger und tatkräftiger Mensch gewesen und war nun sicher, dass diese Charakterzüge im vollen Maße hervortreten würden, wenn er sich eingelebt und an alles, was ihn umgab, gewöhnt hatte.
    Und was sollte er dann tun?
    Am Rande zu stehen und das Leben nur zu beobachten, ohne irgendeinen Nutzen zu bringen, schien ihm völlig undenkbar. Er konnte nur zufrieden sein, wenn er genau wie seine Zeitgenossen voll im Leben war. Der Beruf eines Juristen existierte nicht mehr - also musste er sich einen neuen aneignen. Und es gab nur einen Weg, das zu tun - und zwar ihn zu erlernen. Wolgin hatte vor, nach der Rückkehr von seiner Weltreise so schnell wie möglich damit anzufangen. Er wollte sich einer schöpferischen Tätigkeit widmen, ohne sich die Tiefe des Abgrunds, den er zu überwinden vorhatte, deutlich vorstellen zu können. Er

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