Die Rueckkehr der Phaetonen
nahm an, der Unterschied zwischen seinem Jahrhundert und dem jetzigen wäre rein quantitativ - die Menschen wussten mehr und konnten mehr. Die qualitativen Veränderungen zog er gar nicht erst in Betracht. Er war ein Kommunist, er hatte die klassischen Werke des Marxismus gelesen und kannte die Grundzüge der zukünftigen kommunistischen Gesellschaft. Er wusste, dass im Kommunismus jede Tätigkeit eine schöpferische war und dass ein Mensch immer den anderen diente, unabhängig davon, womit er sich beschäftigte. Aber der langwierige und komplizierte Veränderungsprozess der menschlichen Psychologie und der Einstellung gegenüber der Arbeit war an ihm vorbei gegangen. Seine Psyche blieb nach wie vor die eines Menschen aus dem zwanzigsten Jahrhundert und sein
Verständnis von den Werten der einen oder anderen Arbeit war ebenfalls auf dem Stand seine Epoche geblieben.
Ein Mensch in einer kommunistischen Gesellschaft konnte sich sein ganzes Leben lang mit einfacher Arbeit beschäftigen, die keine besonderen Fähigkeiten verlangte und bei der er einen schöpferischen Genuss verspürte, und mit dem Bewusstsein zufrieden sein, dass seine Arbeit von Nutzen war. Der Gedanke, dass eine Tätigkeit wertvoller sein könnte als die andere, würde diesem Menschen nie in den Sinn kommen. Jede Tätigkeit, mit der er sich beschäftigen könnte, war genauso wertvoll und nützlich wie alle anderen. Die leistungsabhängige Arbeitsbezahlung war seit langem vergessen worden - es gab bereits seit eineinhalbtausend Jahren kein Geld oder andere Äquivalente der Arbeit mehr. Womit sich ein Mensch auch immer beschäftigte, er bekam von der Gesellschaft alles, was aber brauchte, und zwar unbegrenzt. So lief es bereits seit Jahrhunderten, und die Menschen hatten aufgehört, irgendwelche Unterschiede zwischen ihren Tätigkeiten zu bemerken. Ein Mitglied des Wissenschaftsrats und ein bescheidener Archäologe, ein herausragender Ingenieur und ein einfacher Bauarbeiter unterschieden sich überhaupt nicht, was ihre Bezahlung anbelangte. Im Laufe der Generationen hatten sich die Menschen an eine solche Sachlage gewöhnt, und nun schien sie ihnen natürlich und einzig möglich. Andere zwischenmenschliche Beziehungen, von denen ihnen die Lehrer am Anfang der Lernperiode erzählt hatten, wurden von ihnen genauso betrachtet, wie im zwanzigsten Jahrhundert die Lebensbeziehungen im alten Ägypten betrachtet wurden - die Möglichkeit solcher Beziehungen konnte von diesen Menschen nur theoretisch verstanden werden.
Die Psychologie der Menschen aus dem neununddreißigsten Jahrhundert hatte mit der der Menschen aus dem zwanzigsten ebenfalls wenig gemeinsam. Die Arbeit war ihr natürliches Bedürfnis, und die Frage, die Wolgin quälte -welchen Beruf man sich aussuchen sollte - erschien ihnen sinnlos. Ihrer Meinung nach sollte ein Mensch genau das tun, was ihm gefiel, das, wonach ihm der Sinn stand, und was es genau war, spielte überhaupt keine Rolle. Aber Wolgin sah es ganz anders. Eine fast automatische Tätigkeit, die, zumindest von seinem Standpunkt aus, von einem Menschen keinen schöpferischen Gedanken erforderte, war für ihn keineswegs eine Schande — er war daran gewöhnt, jede Arbeit zu respektieren — sondern unvereinbar mit seinem Status. Er dachte, die Ehre und die Würde des Jahrhunderts, welches er in dieser neuen Welt repräsentierte, verlangten von ihm etwas anderes. Unbewusst wollte er auch beweisen, dass er zu jeder Tätigkeit in der Lage sei, zu der die Menschen im neununddreißigsten Jahrhundert in der Lage waren.
Archimedes war ein großer und genialer Gelehrter, aber wenn er plötzlich im zwanzigsten Jahrhundert landen würde, könnte er nicht mal ein Mathelehrer in der Grundschule werden. Und auch Newton würde im neununddreißigsten Jahrhundert einen völlig ungebildeten Eindruck machen. Wolgin wollte es nicht verstehen und dachte nicht einmal an solche Vergleiche. Er selbst war nicht nur kein Gelehrter, sondern nicht einmal ein Ingenieur, wollte aber den-noch die zahllosen Stufen, die die Wissenschaft in den neunzehn Jahrhunderten unter gewaltigen Anstrengungen zurückgelegt hatte, mit einem Sprung überwinden. Das kam nicht etwa davon, dass er etwa dumm oder dünkelhaft war, sondern davon, dass er in Maßstäben seines eigenen Jahrhunderts urteilte und keine qualitativen Veränderungen in der Wissenschaft und Technik sehen konnte. Wenn das Wissen der Menschen sich tatsächlich nur quantitativ verändert hätte, so wie Wolgin es
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