Die Rueckkehr der Templer - Roman
diese Zeit erfahren durfte, geht es hier kaum besser zu. Es gibt scheußliche Krankheiten, schwere Verletzungen und wenige, wenn nicht gar keine Heilungsmöglichkeiten, was euch dazu verurteilt, nicht selten bereits in jungen Jahren grausam zu sterben.«
»Und du denkst, ihr könntet das ändern?« Der Ausdruck in Khaleds Stimme schwankte zwischen Hoffnung und Spott.
»Vielleicht … aber ich bin mir nicht sicher.«
»Ich denke an die Wunde des Jungen«, sagte Khaled mit gedämpfter Stimme. »Mit eurem Wissen ist allem Anschein nach so einiges möglich, das selbst die Fähigkeiten der Ärzte im Maristan von Damaskus übertrifft. Aber André de Montbard spricht die Wahrheit, wenn er sagt, dass man eure Existenz und eure Erkenntnisse unbedingt vor Uneingeweihten verbergen muss.«
Er machte eine Pause, wobei er sie mit einem Wink aufforderte, zum Hauptportal von al-Aqsa zurückzukehren.
|219| »Es ist gefährlich, wenn machthungrige Dummköpfe etwas über eure Möglichkeiten erfahren – oder christliche Fanatiker, die mit einem gnadenlosen ›Gott will es‹ jeden lynchen, dessen Meinung nicht mit ihren christlichen Evangelien übereinstimmt.«
Sie gingen dicht nebeneinander, und Khaled war versucht, zu Lyns Schutz einen Arm um ihre Schultern zu legen, worauf er aber im Angesicht mehrerer Templer verzichtete, die im Halbdunkel zur Kapelle eilten.
»Dort, wo ich herstamme«, fuhr er mit verhaltener Stimme fort, »sind die Gelehrten weitaus besser ausgebildet als die einfältigen Christen, die in der Medizin vieles als Teufelszeug bezeichnen, was wir Muslime längst praktizieren. Aber vielleicht weißt du das ja bereits.«
»Ehrlich gesagt«, bekannte Lyn freimütig, »spätestens seit ich dich kennengelernt habe, bin ich mir nicht mehr sicher, ob meine Studien über eure Kultur und eure Lebensweise mit der Realität übereinstimmen.« Sie lächelte. »Aber ganz gleich, was noch kommt – ich glaube, André de Montbard ist ein echter Glücksgriff. Er ist ehrlich gewillt, uns zu helfen. Es ist gut, dass du uns zu ihm geführt hast.«
»Ja«, bestätigte Khaled in bedächtigem Tonfall. »Ich kenne keinen ehrenvolleren Menschen als ihn. Er war sofort bereit, mir zu glauben, als ich ihm von euch und von den Toten vor der Mauer erzählt habe. Jeder andere christliche Führer hätte mich unter dem Verdacht gefangen genommen, die Männer im Auftrag der Nizâri getötet zu haben, und euch hätten sie wahrscheinlich als mongolische Spioninnen angeklagt. Aber André hat keinen Herzschlag lang gezweifelt, dass ich die Wahrheit sage.«
Lyn wurde mit einem Mal bewusst, dass Khaled ein ziemliches Risiko für sie eingegangen war, als er nach dem Tod der Männer mit ihr und Rona die Mauer hochgeklettert war. Wenn Montbard nicht anwesend gewesen wäre, hätte ihn jeder andere, uneinsichtige Zeitgenosse leichtfertig des Mordes an den drei Christen beschuldigen können.
»Vielleicht haben die Toten schon etwas in eurer Zukunft verändert«, bemerkte Khaled mit einem beiläufigen Blick in den Sternenhimmel. »Unabhängig von eurem Gespräch mit Bruder André«, fuhr er fort und sah ihr tief in die Augen, als ob dort die Bestätigung für seine Theorien zu finden sei. »Ich meine, die getöteten Männer können keine Nachkommen mehr zeugen und keine weiteren Menschen töten, |220| die dann keine Nachkommen mehr zeugen könnten. Habe ich recht?«
»Das stimmt.« Lyn sah ihn überrascht an. Daran hatte sie in all der Hektik noch gar nicht gedacht. »Aber wir können es nicht prüfen – weil wir kurz vor dem Angriff auf die Stadt jeglichen Kontakt zu unserer Basisstation in der Zukunft verloren haben.«
»Vielleicht ist der Kontakt nur abgebrochen«, sinnierte Khaled, »weil die Zukunft, wie ihr sie verlassen habt, gar nicht mehr existiert.«
»O Khaled!« Ihr Gesicht verzog sich zu einer freudigen Miene. »Du bist unglaublich! Daran habe selbst ich nicht gedacht. Ich muss sofort mit Rona sprechen. Sie denkt die ganze Zeit an nichts anderes, als die Templer zu retten, dabei könnte der Flügelschlag eines Vogels schon etwas zum Guten verändert haben.«
Ihre Augen erstrahlten im Angesicht des Mondes, der die Umgebung in ein gespenstisches Spiel von Licht und Schatten hüllte. Khaled fuhr ihr mit den Fingern ins Haar. Auf einmal kam sie ihm nicht mehr so überlegen vor. »Es beruhigt mich, dass ich auch etwas zu deinem Glück beitragen kann«, flüsterte er. Seine Hand ruhte immer noch auf ihrer Wange. »Ich hatte schon Angst,
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