Die Rueckkehr der Templer - Roman
Anführer erziehen zu lassen. Ein Akt des Vertrauens, das Fulko den als Mörder und Giftmischer verschrienen Assassinen auf diese Weise entgegenbringen wollte. Nicht allein deshalb hatte Khaled sich König Fulko verbunden gefühlt. In seiner fürsorglichen Art hatte der König ihm den schmerzlich vermissten Vater ersetzt. Hinzu kam, dass der König Khaleds kleine Schwester, im rechten Alter mit einer üppigen Mitgift ausgestattet, an einen betuchten Baron seines Reiches verheiratet hatte. Was Khaled verwunderlich fand, weil der König ein Christ und sie selbst Muslimin waren. Später, nach Fulkos Tod hatte Khaled sein Pflichtgefühl und die Dankbarkeit, die er seinem König gegenüber empfunden hatte, auf dessen Frau Melisende übertragen. Doch sie hatte ihre eigenen Vorstellungen, wie sich Khaled für die ihm erwiesene Gunst erkenntlich zeigen konnte. Seit seiner Ernennung zum Ritter nutzte sie jede Gelegenheit, um ihn in ihr Bett zu locken, wenn Manasses nicht im Palast weilte. Khaled hasste die unerbittliche Gier, mit der sie ihn forderte. Besonders, wenn sie sich längere Zeit nicht gesehen hatten, benahm sie sich wie eine läufige Hündin.
Doch diesmal würde es anders sein. Er wollte nicht länger den willigen Liebhaber spielen. Nun gab es Lyn, und obwohl er noch keine fleischliche Verbindung mit ihr eingegangen war, kam es ihm wie Betrug vor, wenn er es weiterhin mit anderen Frauen trieb, selbst wenn es die Königin war. Leider hatte er keine Idee, wie er Melisende diesen Sinneswandel beibringen sollte. Zumal er und seine Männer weiterhin auf ihre Gunst angewiesen waren.
Nervös prüfte er den Sitz seines langen, weißen Baumwollgewandes. |233| Dann ging er zu seiner Truhe und tränkte die kleine, weiße Duftkordel, die er gewöhnlich wie eine Kette um den Hals trug, mit einem Duftwasser aus Rosen und Sandelholz, das er wie noch andere Düfte in kunstvoll gearbeiteten, syrischen Glasflaschen aufbewahrte. Danach spülte er sich den Mund mit einem Sud aus Naneminze und tauchte die Fingerspitzen in angewärmtes Duftöl. Damit fuhr er sich durch sein halblanges, pechschwarzes Haar, bis es streng zurückgelegt in seinen Nacken fiel. Das Ergebnis betrachtete er mehr oder weniger zufrieden in einem blank polierten Silberspiegel, dem er zum Abschluss respektlos die Zunge entgegenstreckte.
Auch wenn er sich dabei vorkam wie ein eitler Eunuch, so musste alles perfekt sitzen, wenn er bei der Königin Gehör finden wollte. Sie war unzweifelhaft ein Kind des Morgenlandes. Als Tochter Balduins II. und seiner armenischen Frau, Prinzessin Morphia von Melitene, hatte Melisende in Jerusalem das Licht der Welt erblickt. Somit war sie mit den hygienischen Vorschriften der Muslime bestens vertraut, und obwohl einige ihrer Vorfahren aus Europa stammten, wo man es mit der Körperpflege nicht so genau nahm, verabscheute sie nichts mehr als einen ungewaschenen, übel riechenden Mann. Khaled und seine Kameraden gingen regelmäßig in den palasteigenen Hamam, um zu baden und die Körperbehaarung entfernen zu lassen.
Ob sein tadelloses Auftreten etwas nützen würde, um Melisende milde zu stimmen, stand in den Sternen. Und die waren ihm zurzeit nicht gerade wohlgesinnt, wie ihm ein muslimischer Astrologe vor seiner Abreise nach Blanche Garde versichert hatte.
Dabei fühlte Khaled sich trotz aller Unwägbarkeiten zurzeit wie in jenem Paradies, das den jungen Fida’i versprochen wurde, wenn sie bei der Vernichtung eines Feindes den Tod fanden. Er hatte sich in Lyn verliebt, ein seltsames, irrsinniges Gefühl, das ihm in seiner Intensität geradezu furchteinflößend erschien.
In den letzten drei Tagen waren Lyn und er sich auf ihren Spaziergängen ziemlich nahegekommen. Während Rona sich nicht sonderlich für ihn interessierte, lauschte Lyn seinen Worten. Khaleds Erläuterungen zur Ebene von as-Sahira, jenem Flecken Land hinter der östlichen Tempelmauer, das sowohl für die Muslime als auch für die Christen eine große Rolle spielte, hatte sie hingebungsvoll zugehört.
|234| »Man sagt, dieser Ort werde eines unbestimmten Tages die Stätte des Jüngsten Gerichts sein«, hatte er ihr erklärt, »dort, wo die Toten auferstehen, wenn Gottes Reich zu den Menschen zurückkehrt. Die Ungläubigen werden von dort aus über eine Brücke aus Eisen zum Tempelberg gehen und mit ihr ins Verderben stürzen, die Gläubigen jedoch gehen über ein Gespinst aus Seide, und allein ihr Glaube wird sie in das Reich Gottes tragen. Nicht wenige
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