Die Rueckkehr der Templer - Roman
rissen Khaled aus einem kurzen, traumlosen Schlaf. Verdammt, er war tatsächlich eingenickt. Dabei hatte er sich nach seiner Rückkehr aus den Stallungen nur etwas ausruhen wollen, während er sich auf ein weiteres Treffen mit Lyn am späten Nachmittag im Schatten von al-Aqsa freute.
Seit einer Woche folgten Lyn und er stets dem gleichen Ritual. Während Khaled am Morgen die Pflicht im Palast rief, wo er mit seinen Männern regelmäßig militärische Übungen absolvierte, verbrachte er den späten Nachmittag bis in die Nacht hinein mit Montbards ausdrücklicher Erlaubnis auf dem gut bewachten Gelände des Templerhauptquartiers. Im Augenblick war dies die einzige Möglichkeit, Lyn regelmäßig treffen zu können. Zumindest bis die Genehmigung des Königspalastes vorlag, dass Khaled sich fortan mit Zustimmung des Hofes des Schutzes der beiden Frauen annehmen durfte.
Wankend erhob er sich von seinem Lager und rieb sich die Müdigkeit |229| aus dem Gesicht, bevor er auf den Balkon trat, um zu sehen, was unten im Palasthof vor sich ging. Der Nachmittag war heiß, und der Wüstenstaub, der bis in die engen Gassen Jerusalems wehte, drohte die Stadt zu ersticken. Nach einem Blick über die steinerne Brüstung sah Khaled, woher der Jubel kam, den der Wind über die Dächer trug.
Etliche Reiter auf Pferden und an die dreißig bepackte Kamele schritten nacheinander durch das Davidstor. Mitten in der Karawane erkannte Khaled die Königin auf einer aufwändig geschmückten hellbraunen Araberstute sowie ihren zwölfjährigen Sohn Aimery, der einen weißen Hengst ritt. Aimery war ein beleibter Bursche mit dunklen Locken, der weder seiner schlanken Mutter noch seinem stattlichen Vater glich und schon gar nicht Balduin III., seinem blendend aussehenden, älteren Bruder. Mit hoch erhobenem Haupt lenkte Aimery das Pferd an Melisende vorbei in den Hof. Schon früh hatte sich der Kleine die Arroganz seiner Mutter angeeignet, die sie immer an den Tag legte, wenn sie sich von einer größeren Menschenansammlung bedrängt fühlte. Den beiden folgte der greise Patriarch Fulcher von Angoulême. Der beinahe Hundertjährige kehrte erschöpft von den Verhandlungen mit dem deutschen Kaiser und dem französischen König Ludwig zum Chor des Heiligen Grabes zurück. Die Königin und ihr Sohn wurden von einem Heer königlicher Ritter umringt. An deren Spitze ritt der designierte Templergroßmeister Everhard de Barres auf einem schwarzglänzenden Hengst, dessen weiße Schabracke wie der Umhang seines Reiters das rote Kreuz des Ordens trug. Es hieß, de Barres habe aus Frankreich rund einhundert Ordensritter mit in den Zweiten Kreuzzug geführt. Auf Wunsch des Papstes und des Kapitels in Paris sollte er den todkranken Robert de Craon vertreten und ihn ersetzen, wenn dieser starb, was nur noch eine Frage der Zeit war. Lyn und Rona hatten das Todesdatum des Großmeisters sogar schon benannt; demnach konnte es nicht mehr lange dauern, bis de Barres die Macht über den Orden in Händen hielt.
Auf dem Weg durch das Gebiet der Seldschuken hatten der zukünftige Großmeister und seine Getreuen eine erste Feuerprobe bestanden, indem sie König Ludwig VII. und seiner Gemahlin Eleonore von Aquitanien bei einem Überfall einheimischer Krieger in Antalya durch ihr beherztes Eingreifen das Leben gerettet hatten. Damit hatten sie neben dem französischen König den gesamten Hofstaat der Heiligen |230| Stadt so sehr beeindruckt, dass man sie in Akko und Jerusalem tagelang als die wahren Helden des Outremers feierte – sehr zum Missfallen anderer Ritterorden.
De Barres verstärkte zudem mit jener glorreichen Truppe die dreihundert zurzeit in Jerusalem stationierten Templer, die wegen permanenter Einsätze mit vielen Verlusten unter chronischem Personalmangel litten. Offenbar hatte er es sich nicht nehmen lassen, die Königin und ihren Jüngsten sicher nach Hause zu geleiten, dabei hatte er jedoch nur etwa sechzig seiner Gefolgsleute mit aus Akko hierhergeführt. Der Rest war allem Anschein nach mit Prinz Balduin und seinen hochrangigen Vertretern in Akko zurückgeblieben, um dort den Feldzug auf Damaskus vorzubereiten.
Khaled beobachtete, wie die Templerkavallerie mit Ausnahme von de Barres und zwei Offizieren noch vor dem Stadttor ihre mächtigen Rösser nach Süden lenkten. Die schwarzweißen Schabracken der Pferde flatterten im aufwirbelnden Staub mit den weißen Umhängen der Templer um die Wette, als sie an der Stadtmauer entlang ins Kidrontal stürmten.
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