Die Rueckkehr der Templer - Roman
Pilger kommen nach Jerusalem, um dort zu sterben, weil sie im Augenblick des Todes dem Paradies so nahe wie möglich sein wollen.«
Lyn war fasziniert. In ihrer Welt hatte man von solchen Dingen nicht die geringste Ahnung, und sie fand es merkwürdig, dass man die Toten unter der Erde bestattete. In ihrem Reich wurden die Leichen zu Staub zerblasen, und die Toten ehrte man – wenn überhaupt – in einem Friedhof, den sie »World Wide Web« nannte. Khaled war nicht klar, was sie damit meinte. Viele Ausdrücke, die sie benutzte, konnte man beim besten Willen nicht ins Arabische übersetzen. Geduldig hatte er Lyn von den muslimischen Heiligtümern erzählt und ihr erläutert, welche davon im Schatten des Felsendoms lagen. Aber am meisten war sie an seiner Herkunft interessiert. Sie wollte alles über sein Leben und seine geheimnisvoll erscheinenden Traditionen wissen. Nicht ohne Stolz hatte Khaled ihr vom Stamm seiner Vorväter erzählt, einem anerkannten Adelsgeschlecht in Syrien, das sich nach dem Tod seines Vaters in alle Winde verstreut hatte. Mit wenigen Worten berichtete er von seiner Rettung durch König Fulko und vermied dabei jede Anspielung auf die verwitwete Königin, weil er fürchtete, Lyn könnte ahnen, welche Rolle er nach Fulkos Tod in deren Leben eingenommen hatte.
Später, als es bereits dämmerte, hatte er mit ihr ein zweites Mal in aller Heimlichkeit die Mauer hinunter zur Stadt überwunden und sie hinter dem Salomosportal zum Teich von Bethesda – oder auch Schafsteich – geführt. Eine beeindruckende, aus hellem Stein gemauerte Zisterne, an deren tiefster Stelle das glasklare Quellwasser sieben Königsellen hinab bis zum Grund reichte. Ein unterirdischer Zulauf sorgte dafür, dass das ausgedehnte Becken stets gefüllt war und an heißen Tagen zum Baden einlud. Bereits zu Jesu Zeiten sagte man dem Wasser heilkräftige Wirkung nach. Tagsüber tummelten sich dort Hunderte Pilger, doch am Abend wurde es ruhig unter den uralten Zypressen. Spätestens bei Einbruch der Dunkelheit verirrte sich niemand |235| mehr zu der von antiken Säulen umrankten Gebetsstätte. Trotz des hellen Mondlichtes hatte Khaled besondere Vorsicht walten lassen, als er mit Lyn im Schatten der neu erbauten Sankt-Anna-Kirche ein erfrischendes Bad nahm. Vollkommen nackt waren sie ins Wasser gestiegen, nachdem Khaled sichergestellt hatte, dass niemand in der Nähe war, der sie beobachten oder ihre Kleider stehlen konnte. Lyns kleine pralle Brüste glichen frisch gepflückten Äpfeln, und ihre haarlose Scham war verlockend wie der Schoß einer Jungfrau, die sie nach eigenem Bekunden noch war. Beim Barte des Propheten – nie zuvor hatte er es als eine solche Qual empfunden, sich bei einer Frau zurückhalten zu müssen. Seine Erregung hatte er vor Lyn nicht verbergen können. Irgendwann war sie ihm so nahe gekommen, dass sie mehr unbeabsichtigt sein aufragendes Geschlecht berührt hatte. Atemlos hatte er es zugelassen, dass sie es streichelte und sich mit unschuldigem Blick erkundigte, ob ihm dieser Zustand Schmerzen bereitete. Es hatte Khaled beinahe übermenschliche Kräfte gekostet, sie nicht einfach an den Beckenrand zu drängen, ihre Beine zu spreizen und sie im lauwarmen Wasser zu nehmen.
Doch er wusste, dass ein solches Verhalten nicht nur verantwortungslos, sondern auch ungehörig gewesen wäre. Deshalb war er einfach abgetaucht, um sich abzukühlen, aber Lyn war ihm lachend gefolgt und hatte keine Gelegenheit verstreichen lassen, ihn zu necken und kleine Zärtlichkeiten mit ihm auszutauschen. Allem Anschein nach hatte sie nicht die geringste Ahnung, was ihr Verhalten bei ihm bewirkte. Aber gerade das war es, was sie neben ihrer Klugheit, ihrer Schönheit und ihrer außergewöhnlichen Herkunft begehrenswerter machte als jede Frau zuvor.
Khaled hegte die Hoffnung, Lyn mit der Zeit beibringen zu können, was echte Liebe zwischen einem Mann und einer Frau ausmachte und wie viel er für sie empfand. Zeit, die er allerdings nicht haben würde, wenn man ihn und seine Männer gegen die Empfehlungen des Seneschalls in einen aussichtslosen Krieg schickte.
André de Montbard, der wohl ahnte, was in Khaled vorging, hatte noch im Morgengrauen nach seiner ersten Begegnung mit Lyn und Rona zwei Boten mit einer geheimen Depesche im Auftrag des Ordens nach Akko entsandt. In dem Brief hatte er Melisende und ihren Sohn gebeten, Khaled und seine Krieger zur Verstärkung dem Hauptquartier |236| der Templer in Jerusalem zu entleihen. Als
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