Die Rueckkehr der Templer - Roman
dass Matthäus offenbar den richtigen Riecher gehabt hatte.
»Ist es wahr, dass ihr von Fatimiden überfallen wurdet und dass ihr dabei eure Herkunftsnachweise verloren habt?«
»Ja, es ist wahr«, entgegnete Anselm, unsicher, ob er das Richtige sagte.
»Fand der Überfall draußen vor Bethanien statt?«
Wieder antwortete Anselm mit »Ja«. wobei er nicht die geringste Ahnung hatte, welche Rolle das spielen sollte.
»Sind Templer zu Tode gekommen?«
»Nein«, antwortete Anselm, weil er vermutete, dass der Tod von Rittern womöglich am Image des Ordens kratzte. »Ausschließlich Fatimiden, diese dreckigen Hunde«, erklärte er mit bebender Stimme, in der Absicht, den richtigen Eindruck zu hinterlassen.
»Wie sind die Männer gestorben?«
»Durch die Hand der Templer«, sagte Anselm leise, in der Hoffnung, dass die Antwort den Ordensmann zufriedenstellte.
»Und wie kam es, dass ihr euch aus den Augen verloren habt?«
»Mein Herr und seine Brüder haben die Feinde verfolgt, und dann haben mein junger Freund und ich uns verirrt.« Er warf einen bestätigungsheischenden Blick auf Matthäus, doch der Junge hielt den Kopf gesenkt. Er wagte nicht, dem Narbengesicht in die Augen zu schauen.
»Haben die Fatimiden ein Dorf überfallen und Frauen entführt?« Die Stimme des Mannes war kalt und berechnend.
»Ich weiß es nicht«, sagte Anselm ausweichend, weil er nicht wusste, worauf der Mann hinauswollte. »Es ging alles so schnell.«
Der Templer hob eine seiner rotbuschigen Brauen und nickte in Richtung der Wachen. »Bringt sie zu den anderen. Tramelay soll entscheiden, ob ihnen das gleiche Schicksal wie ihren Herren bestimmt ist.«
Anselm wagte nicht zu fragen, wohin man sie brachte, und eine Antwort erübrigte sich, als man den Jungen und ihn kurze Zeit später die Stufen hinab zu den Ställen des Salomo führte, zu einem ähnlich labyrinthartigen Verlies wie in Askalon. Überall hingen brennende Fackeln |510| in den Wandhaltern, und das aus dem Fels gehauene Deckengewölbe war schon ganz schwarz vor Ruß.
Vereinzelte Schreie und lautes Stöhnen hallten von der Decke wider. Matthäus fasste nach seiner Hand und drückte sie so fest, dass es wehtat. »Sie sperren uns ein«, bemerkte er mit bebender Stimme. »Denkst du, sie wollen uns zu lebenslanger Kerkerhaft verbannen?«
»Warum sollten sie das tun?«, murmelte Anselm. »Wir haben nichts Unrechtes getan. Das wird sich alles aufklären.«
Ihre Bewacher führten sie zu einem vergitterten Loch am hinteren Ende des Ganges, vorbei an anderen, düsteren Grotten, aus denen sich schauriges Wehklagen erhob. »Hier geht’s rein«, bestimmte einer der Männer und schloss die Gitter auf.
Im Halbschatten der Fackel sah Anselm, dass sie ihr weiteres Dasein an diesem stinkenden Ort nicht alleine fristen mussten. Auf den ersten Blick erschrak er, als er fünf kräftige Männer in grauen Gewändern wahrnahm, die schliefen und oder einfach dasaßen und vor sich hin starrten. Als er ihre Gesichter erkannte, glaubte er, sein Herz würde stehen bleiben.
»Herr im Himmel!«, ließ einer der Männer ungläubig verlauten. »Ich möchte wetten, sie haben uns etwas ins Wasser getan! Seht ihr das auch?« Es war Struan, der sich die schwarzen Augen rieb, als ob er einen Geist sehen würde.
»Gero!«, stieß Matthäus hervor und brach sogleich den Bann. Mit einem Aufschrei landete er auf dem schlafenden Mann, der im Reflex herumwirbelte und ihn unter sich begrub, dabei eine Hand so fest an seinen Hals legte, als wolle er ihn ersticken. Als Matthäus lauthals zu röcheln begann, ließ er ihn los und sprang taumelnd auf, als ob er sich verbrannt hätte. »Heilige Mutter!«, rief Gero, und sein entsetzter Blick ruhte nicht nur auf dem Jungen, sondern auf dessen Begleiter. »Sag, dass ich schlecht träume!«
»Nein«, erwiderte Anselm und sah aus den Augenwinkeln, dass die Tür hinter ihnen wieder verschlossen wurde. »Das ist kein Traum. Eher ein Alptraum, aber davon erzähle ich dir erst, wenn du schwörst, mich nicht umzubringen.«
Ein Blick in den Spiegel an der Wand bestätigte Melisende, dass die vergangenen Jahre des unentwegten Machtkampfes mit ihrem Sohn Spuren |511| hinterlassen hatten. Sie war längst nicht mehr das junge Mädchen, das jedem gut aussehenden Kerl mit einem einzigen Lächeln den Kopf verdrehte. Selbst die helle Schminke, die ihr die Zofe am Morgen auflegte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie in knapp zwei Jahren ihren fünfzigsten Geburtstag
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