Die Rueckkehr der Templer - Roman
hatte er wirklich Mitleid mit Hannah, Freya und Amelie, obwohl er sie doch gar nicht kannte.
Draußen wunderte sich Arnaud, wie anpassungsfähig Rona und Lyn auf ihre Umgebung reagierten. Von weitem sahen sie allein wegen ihrer Größe wie Männer aus. Sie trugen den gleichen Turban aus langen, schwarz gefärbten Leinenschals, mit deren unterem Ende sie Kinn, Mund und Nase bedeckten. Beigefarbene Hosen, Kaftane und kniehohe Stiefel ergänzten das trügerische Bild eines männlichen Beduinen. Routiniert erklommen sie ihre Kamele und machten es sich im Sattel bequem, bevor der Diener den Tieren den Befehl gab, sich zu erheben.
Arnaud schwang sich gleichzeitig mit Struan und Khaled auf einen der Araberhengste und neigte sein Haupt vor Montbard und der Königin, bevor er kurz die Hand zum Abschied erhob und dann seinen Hengst zum Davidstor hinaustrieb. Auch Struan grüßte Montbard und die Königin ein letztes Mal. Nur Khaled verzichtete auf jegliche Abschiedsgeste und blickte noch nicht einmal zurück, nachdem er die Spitze des Trupps übernommen hatte.
Im Grunde hatte Arnaud nichts dagegen einzuwenden, dass Khaled, obwohl er kein Christ war, die Führung übernahm. In seiner Familie hatte es schließlich auch Sarazenen gegeben. Aber dieser hier war kein |559| gewöhnlicher Muslim. Er war Assassine – und diese Sorte von Sarazenen hatte zu Arnauds Zeiten einen ausgesprochen schlechten Ruf genossen. Als Meuchelmörder, Frauenschänder, kurz – Satansbrut.
Dass die Königin sich vor Khaled fürchtete, war Arnaud nicht entgangen.
Khaled hasste sie, weil sie laut Lyn eine Mitschuld an seinem grausamen Schicksal trug. Aber galt seine Abneigung dann nicht auch den übrigen Christen? Wobei … Rona und Lyn waren gar keine Christen, sie waren … Sie glaubten an nichts. Und auf wessen Seite sie sich schlagen würden, wenn es zu Kämpfen zwischen Christen und Sarazenen kam, durfte erst noch abgewartet werden.
Khaled führte sie bis zum frühen Morgen quer durch Judäa über Hochebenen und hinein in flache Täler, immer bemüht, die vielen kleinen Dörfer zu umgehen.
Bei einer Rast am Abend wagte Arnaud, dem Assassinen eine Frage zu stellen. Sie hatten kein Feuer entzündet, aber der Mond war hell genug, dass er den Umriss seines markanten Gesichts erkannte. »Wo hast du gelernt, dich so gut an den Sterne zu orientieren?«
»Einem Nizâri wird so etwas in die Wiege gelegt«, erwiderte Khaled, während er die Pferde aus dem Wasserschlauch versorgte.
»Bedeutet das, alle Assassinen können sich von Geburt an am Sternenhimmel orientieren?«
»Das kann ich dir nicht sagen«, entgegnete Khaled düster und verschnürte den Schlauch. »Ich kenne nur die Bruderschaft der Nizâri.«
»Dann bist du also gar kein Assassine«, beeilte sich Arnaud zu sagen. »Ich hatte keine Ahnung …«
»Aber davon mehr als genug…« Khaleds Augen funkelten verräterisch, als er den Schlauch zur Seite legte und seinen Gebetsteppich nahm, der ihn ständig begleitete und den er nun auf den steinigen Boden legte.
»Was?« Arnaud glaubte sich verhört zu haben. Er packte Khaled am Arm und riss ihn herum. »Was denkst du eigentlich, wen du hier vor dir hast?«
»Einen nichtsahnenden Ungläubigen.«
Khaled störte sich nicht an Arnauds empörtem Schnauben. Mit einem Ruck befreite er sich aus dessen Umklammerung und kniete nieder, um in aller Seelenruhe Allah zu preisen.
|560| Doch Arnaud packte noch einmal zu. Einen Moment später stürzte er zu Boden, und Khaled saß über ihm und hielt ihm einen Dolch an die Kehle. »Wag es nicht, mich noch einmal bei meinen Gebeten zu stören«, zischte der Assassine ihm zu.
»Lass ihn los!«, befahl eine dunkle Stimme. Struan drückte Khaled die Spitze seines Anderthalbhänders ins Genick.
»Was soll das werden?« Plötzlich tauchte Rona hinter ihm auf, gefolgt von ihrer Schwester. »Seid ihr noch klar im Hirn, oder hat euch die Sonne eure Synapsen verschmort?«
»Was?« Khaled schaute irritiert auf und ließ seinen Dolch sinken.
Lyn warf einen Blick auf ihr Armband. »Unkontrollierter Adrenalinanstieg und ein erhöhter Testosteronspiegel.« Seufzend schüttelte sie den Kopf.
Khaled stieg schnaubend von Arnaud ab, der sofort aufsprang und eine kampfbereite Haltung einnahm.
Khaled ignorierte ihn mit abweisender Miene, nahm seinen Teppich und ging ein Stück weiter.
»Worüber habt ihr euch gestritten?«, wollte Rona von Arnaud wissen.
»Offenbar stört es ihn, dass ich ihn als Assassinen bezeichnet
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