Die Rueckkehr der Templer - Roman
Rona war hinter sie getreten. Mit ihrem Körper schirmte sie ihre Schwester gegen die neugierigen Blicke der übrigen Reisenden und des Templers ab, der ein Stück zurückgetreten war.
»Ich kann ihn nicht sterben lassen«, verteidigte sich Lyn in ihrer eigenen Sprache. »Er erinnert mich an Mako, und schau dir seine Mutter an, wie verzweifelt sie ist! Wenn wir ihm nicht helfen, wird er den Transport in die nächste Stadt nicht überleben.«
»Lyn!« Rona setzte eine beschwörende Miene auf. »Khaled hat bereits Verdacht geschöpft, dass mit uns was nicht stimmt. Auch wenn er tausend Jahre früher geboren wurde als wir, scheint er nicht unbedingt verblödet zu sein. Wie willst du ihm und den anderen die plötzliche Heilung des Jungen erklären?« Mit einem Seitenblick registrierte Rona, dass der Templer hinter ihrem Rücken sich einem Kameraden zugewandt hatte, der ihm etwas zurief. Khaled war damit beschäftigt, hundert Meter entfernt die Reihen abzugehen, wahrscheinlich um den Zustand der ihm anvertrauten Menschen und Tiere ein letztes Mal zu überprüfen, bevor sich der Zug in Bewegung setzte.
Unbeeindruckt von Ronas Einwand beugte Lyn sich vor und wandte sich an den Jungen und dessen Mutter. »Fürchtet euch nicht!«, flüsterte sie in einer archaischen Wortwahl, die den Menschen in dieser Region gewiss vertraut war und diese Frau auf ein Wunder vorbereiten sollte. »Ich helfe deinem Sohn, wieder ganz gesund zu werden.«
Beinahe abwesend beobachtete die Mutter des Jungen, wie Lyn die Verbindung zwischen der am Hals herausragende Pfeilspitze und dem hölzernen Zain, an dem sie befestigt war, blitzschnell mit einer kleinen Laserlanze kappte, die zu ihrem medizinischen Equipment gehörte. |73| Lion hatte ihnen eine Reihe von unauffälligen, aber nützlichen Tools mit auf die Reise gegeben, denen man ihre hochtechnisierte Wirkungsweise nur ansehen konnte, wenn man darum wusste. Routiniert zog Lyn den verbliebenen Holzstumpf aus der Wunde. Fast gleichzeitig drückte sie dem völlig apathischen Jungen eine winzig erscheinende Nanokapsel zwischen die blutigen Lippen. Die darin enthaltenen Reparaturpartikel zeigten sogleich ihre Wirkung. Unverzüglich drangen sie in die Blutbahn des Jungen ein, um die zerstörten molekularen Strukturen des jeweils verletzen Areals zu analysieren, gesunde Zellen gentechnisch zu kopieren und damit die zerstörten Zellen zu ersetzen. Ein Prozess, der nicht einmal Sekunden in Anspruch nahm.
Die Blutung versiegte sofort. Die Mutter sah mit fassungslosem Erstaunen, wie sich die hässliche Wunde am Hals ihres Kindes zu schließen begann. Ihr ungläubiger Blick wechselte von Lyn zu ihrem Sohn, der offenbar in der Lage war, schmerzfrei zu schlucken. Als der Junge seine Augen vollends öffnete und erstaunt um sich blickte, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Wasser«, murmelte der Kleine mit brüchiger Stimme.
Seine Mutter überlegte nicht lange und setzte ihm einen dieser übel riechenden Lederbeutel an die Lippen. Der Junge trank, erst zaghaft, dann immer gieriger. Als er keuchend absetzte, lächelte er Lyn unter seinen dunklen, verschwitzten Locken mit einem Ausdruck vollkommenen Glücks an. »Es tut kein bisschen mehr weh«, flüsterte er selig.
Obwohl kein anderes Ergebnis zu erwarten gewesen war, brach Lyn unvermittelt in Tränen aus. Ihr wurde klar, dass sie nicht um das gerettete Kind weinte, sondern um Mako – dem nicht mehr zu helfen gewesen war.
Die Frau stieß einen zweiten hysterischen Schrei aus, als sie begriff, dass ihr Sohn tatsächlich genesen war, und dann folgte ein Schwall emotionsgeladener, hebräischer Worte, während sie Lyn um den Hals fiel. Allem Anschein nach war sie eine Jüdin. Der Junge erhob sich völlig verwirrt und ging auf Abstand. Unterdessen ließ seine Mutter von Lyn ab und fiel vor ihr mit tränennassem Gesicht auf die Knie, küsste den Saum ihres Gewandes und begann in herzzerreißender Weise, Gott im Himmel mit all seinen Engeln zu preisen.
Lyn, die Mühe hatte, ihre Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen, wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel trocken und versuchte |74| die Frau mit sanften Worten zu beruhigen. Was ziemlich vergeblich war, weil die Mutter des Jungen sämtliche Mitreisenden zusammenrief, damit sie das Wunder bestätigen sollten.
»Ich hab’s dir doch gesagt«, zischte Rona, die neben ihrer Schwester stand und das Gepäck bewachte. »Sicher denkt sie jetzt, du bist ein höheres, geflügeltes Wesen.«
»Du
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