Die Rueckkehr der Templer - Roman
hättest seinem qualvollen Tod also den Vorzug gegeben?« Lyn warf ihrer Schwester einen verärgerten Blick zu.
»Nein, natürlich nicht.« Rona verdrehte die Augen. »Aber …«
»Was aber?«
»Das!«, antwortete Rona und schaute in die Richtung, aus der das Donnern der Pferdehufe zu vernehmen war.
Khaled war das Spektakel nicht entgangen. Mit misstrauischem Blick preschte er auf seinem silberfarbenen Pferd heran. Kurz vor den Frauen brachte er sein schnaubendes Tier zum Stehen.
»Was geht hier vor?«, fragte er barsch.
Rona und Lyn ersparten sich eine Antwort, aber die Jüdin war immer noch ganz aus dem Häuschen.
»Ein Wunder, o Herr! Seht, mein Sohn, er lebt und ist unversehrt! Und nicht nur das – die beiden Frauen waren es auch, die unsere Feinde zu Staub zerfallen ließen. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Sie sind wahrhaftige Engel, von Gott gesandt. Ihnen alleine haben wir es zu verdanken, dass wir noch leben.« Die Frau wollte weiterreden, doch Khaled gebot ihr mit einer unmissverständlichen Geste Einhalt.
»Schweig, Weib«, rief er. »Dir ist die Hitze zu Kopf gestiegen.« Er stieß einen Pfiff aus, und im Nu war jemand zur Stelle, der Mutter und Sohn noch einmal Wasser einflößte. Khaled war allem Anschein nach nicht daran interessiert, dass die Frau vor den anderen Mitreisenden weitere Einzelheiten über Ronas geheimnisvolle Fähigkeiten ausplauderte und die übrigen Männer und Frauen womöglich dazu brachte, in die Diskussion um die getöteten Fatimiden einzusteigen.
Rona war Khaled dankbar dafür, dass er so reagierte, doch sie sprach es nicht aus. Er schien zu ahnen, dass sie ebenso wenig ein Interesse daran hatte, dass man ihr und Lyn auf die Schliche kam, und bedachte sie und ihre Schwester lediglich mit einem schrägen Blick. Dabei verlor er kein Wort über die plötzliche Unversehrtheit des Jungen.
»Genau so etwas hatte ich befürchtet«, raunte Rona, als Khaled sich |75| für einen Moment von ihnen abwandte. Sie packte Lyn am Ärmel und zog sie von der Frau fort, die nun auf Knien zu ihr hin rutschte.
Khaled betrachtete die groteske Situation noch einen Moment, bevor er offenbar eine Entscheidung traf. Er bewegte sein Tier mit einem Schenkeldruck auf Lyn zu und umfasste in einer fließenden Bewegung ihre Taille. Bevor sie sich versah, hob er sie mit ihrem Gepäck auf sein Pferd, wo sie seitlich vor ihm auf seinem breiten, gepolsterten Sattel zu sitzen kam. Khaleds Schenkel drückten sich dabei hart an ihren kleinen, festen Hintern, und Lyn fragte sich, ob sie seine unvermittelte Nähe genießen oder sich davor fürchten sollte. Dann stieß er einen weiteren Pfiff aus und forderte Berengar von Beirut mit einer knappen Geste auf, sich um Rona zu kümmern.
Noch bevor Rona protestieren konnte, saß sie hinter Berengar im Sattel. Allerdings duftete der Templer nicht wie Khaled nach Moschus und Amber, sondern nach einer üblen Mischung aus Knoblauch und ungewaschenem Mann. Auch kümmerte sich Berengar nicht in gleicher Weise um Rona, wie Khaled es bei Lyn tat, der ihr einen Arm um die Taille gelegt hatte, damit sie nicht aus dem Sattel fiel. Der Templer war viel zu sehr mit seinem riesigen, schwarzen Pferd beschäftigt, das sich störrisch gab und nicht in die Richtung lief, die er ihm vorgab. Als er endlich seine Position an der Spitze des Zuges eingenommen hatte, überprüfte er den Sitz seines Schildes, dessen Halterung seitlich am Brusthalfter des Pferdes angebracht war, und der darunter befindlichen Lanze, die er längs am Sattel in drei Lederriemen befestigt hatte. Makos Schwert hatte er mit Ronas Erlaubnis zu seinem eigenen Schwert in eine der ledernen Transporttaschen gesteckt, die rechts und links vom Sattel angebracht waren. So bepackt, gab es für Rona und ihren Beschützer kaum Möglichkeiten, eine andere Sitzposition einzunehmen.
Lyn hatte noch nie auf einem Pferd gesessen. Lebende Tiere hatte man in ihrer Welt weitgehend abgeschafft. Das Fleisch für den täglichen Verbrauch wurde in großangelegten Biofabriken gentechnisch gezüchtet. Sogenannte Haustiere, die man zum reinen Vergnügen hielt, galten als verboten. Nur wer viel Geld hatte, um zuständige Stellen zu bestechen, konnte sich erlauben, einen Hund oder eine Katze zu besitzen. In den meisten Regionen der Welt tummelten sich daher allenfalls Ratten und anderes Ungeziefer, deren Populationen man wohl zu keiner Zeit Herr geworden war.
|76| Khaled hatte rasch bemerkt, wie unsicher sich Lyn auf dem Rücken des
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