Die Rueckkehr der Templer - Roman
Tieres verhielt, und entsprechend fest hielt er sie im Arm. Vielleicht aber auch, um zu verhindern, dass sie auf die Idee kam, einfach abzuspringen und davonzulaufen. Ihr Gepäck hatte er am Sattelknauf befestigt, damit sie die Hände frei hatte, um sich wo auch immer festhalten zu können. Das Tempo, das er einschlug, war eher gemäßigt, weil die Kamele, die ihnen folgten, keinerlei Anstalten machten, sich antreiben zu lassen, und das Fußvolk ohnehin zu erschöpft war, um schneller voranzugehen.
»Wahrscheinlich bist du bisher in Sänften gereist«, mutmaßte er.
»So ist es«, log Lyn.
»Gefällt dir mein Hengst?«
»Ja – wieso nicht?« Vorsichtig streichelte sie die helle Mähne. »Es ist ein wunderbares Tier.«
»Sein Name ist Morgentau.« Khaled beugte sich leicht nach vorn und tätschelte den Hals des Pferdes, dabei kam er Lyn noch näher. Sein Atem streifte ihren Nacken, und sie geriet beinahe in Panik, als ihre Haut mit einem wohligen Prickeln reagierte.
»Seine Eltern entstammen dem besten Arabergestüt Syriens«, erklärte er stolz. »Morgentau ist wendig wie ein Falke, kämpferisch wie ein Löwe, zäh wie ein Kamel und gegenüber seinem Reiter so sanft wie ein Lamm. Siehst du die grauen Flecken auf seinem Fell?« Khaled wartete nicht ab, bis Lyn antwortete, sondern fuhr fort: »Sie gleichen Wassertropfen, in denen die aufgehende Sonne schimmert. Daher sein Name.«
Lyn nickte beeindruckt. Eine seltsame Welt, in die sie da geraten waren, in denen Menschen sogar den Stammbaum ihrer Pferde kannten. Sie kam zu dem Schluss, dass Khaled und seinen Hengst etwas Besonderes verband, was aus ihrer Sicht nicht verwunderlich war, weil sie einiges gemeinsam hatten. Die kraftvolle Eleganz und Schönheit beider hatten sie vom ersten Moment ihrer Begegnung fasziniert.
Khaled beugte sich erneut leicht vor, um dem Tier nochmals den Hals zu tätscheln. Wieder stieg Lyn der eigenartige, herbe Duft ihres Begleiters in die Nase. Es musste eine Art Parfüm sein. Die unvermittelte Nähe zu diesem Mann versetzte ihre Biochemie in Aufruhr. Sie konnte sich nicht erinnern, je etwas Vergleichbares bei einem anderen Menschen empfunden zu haben. Lyn schloss für einen Moment die Lider und konzentrierte sich, um in Khaleds Bewusstsein einzudringen, |77| weil sie wissen wollte, was es war, das ihn so außergewöhnlich erscheinen ließ. Offenbar war er es gewohnt, sein wahres Wesen anderen gegenüber zu verbergen. Es kostete sie einige Anstrengung, bis sie seine gebrochene, energetische Ausstrahlung durchdringen konnte, die auf ein grausames Schicksal schließen ließ, und vielleicht war das der Grund, warum seine Augen niemals zur Ruhe kamen und sein Lächeln nicht selten angespannt blieb. Sie konnte spüren, dass er sich um die verbliebenen Mitreisenden sorgte. Nicht etwa, weil er befürchtete, dass die Angreifer zurückkommen könnten. Er war unruhig, weil er wusste, dass sie und Rona ein Geheimnis hüteten, das das Leben aller bedrohen konnte, und weil er keine Vorstellung davon hatte, wie er ihre Macht einschätzen sollte. Lyn spürte, dass er ihr ebenso misstraute wie Rona. Während er sie auf das Pferd gezogen hatte, hatte er blitzschnell ihren Körper abgetastet. Wahrscheinlich wollte er sichergehen, dass sie nicht auch eine solch unheimliche Waffe besaß wie ihre Schwester.
Gerne hätte sie ihm versichert, dass er ihr vertrauen konnte. Doch so wie sie ihn einschätzte, würde er seinen Argwohn nicht aufgeben, bis er hinter ihre wahren Absichten gekommen war. Sollte ihm das gelingen, würde wahrscheinlich alles nur noch komplizierter werden.
»Bis Bayt ul-Maqdis sind wir noch eine Weile unterwegs«, durchbrach Khaled ihr Schweigen, während er unruhig im Sattel hin und her rutschte, ganz so, als ob er ihren geistigen Angriff gespürt hatte.
»Bayt ul-Maqdis?« Lyn schaute fragend zu ihm hin.
»Jerusalem in meiner Sprache – oder al-Quds – wie die Einheimischen hier sagen.« Khaled lächelte. »Jerusalem nennen es nur die Christen. Du könntest mir etwas von dir und deiner Schwester erzählen. Warum ist eure Herkunft ein solches Geheimnis?«, fragte er, darum bemüht, möglichst entspannt zu klingen.
»Es ist kein Geheimnis«, entgegnete sie. »Ich kann es dir nur nicht erklären, weil du es nicht verstehen würdest.«
»Du denkst also, ich bin so dumm wie ein Schwein?« Seine Stimme klang spöttisch. »Als Sohn eines Großwesirs und Mündel eines fränkischen Königs hatte ich sogar ausländische Lehrer. Also
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