Die Rückkehr der Templerin
auf der Stelle, dass er es mit einem brutalen Ruck am Zaumzeug zur Ruhe bringen musste. »Fliehen?«, keuchte er. »Wir sollen wie die Feiglinge vor diesen Heiden davonlaufen? Das kann nicht Euer Ernst sein, Marschall.«
»Das ist nicht nur mein Ernst, Bruder Dariusz«, antwortete Ridefort gereizt. »Das ist ein Befehl! Gehorcht!«
Dariusz riss sein Pferd herum, allerdings nur, um den Angriff eines Sarazenenkriegers abzuwehren, dem es gelungen war, die Reihen der Templer zu durchbrechen.
»Ich werde nicht feige davonlaufen!«, schrie er, noch bevor der getroffene Krieger vollends aus dem Sattel gesunken war.
»Unsere Regeln …«
»Unsere Regeln«, unterbrach ihn Ridefort, und seine Augen blitzten so wütend auf, dass Robin es selbst hinter den schmalen Sehschlitzen seines Helmes noch erkennen konnte, »verbieten es uns nicht, unser Leben zu retten, wenn ein Kampf keine Aussicht auf Erfolg mehr hat, Bruder Dariusz! Im Gegenteil! Ich werde nicht die Leben tapferer Männer sinnlos opfern, die wir später noch bitter brauchen! Begreift Ihr denn nicht, Ihr Narr?« Ridefort machte eine wütende Geste mit dem Baussant in die Runde.
»Das sind nicht Faruk Schahs flüchtende Truppen! Das ist Saladins ganzes verdammtes Heer! Sie haben uns eine Falle gestellt, und wir sind blind hineingerannt!«
Er wiederholte seine wütende Bewegung mit der Lanze, an deren Ende das Banner flatterte. »Wir ziehen uns ins Tal zurück. Dort können wir uns zu einem neuen Angriff sammeln. Gehorcht Ihr, oder soll ich Euch Eures Kommandos entheben?«
Die Situation kam Robin mit jedem Atemzug bizarrer und unwirklicher vor. Sie befanden sich inmitten einer tobenden Schlacht, und diese beiden Ritter hatten nichts Besseres zu tun, als über die Auslegung ihrer Ordensregel zu streiten?
Und doch, so absurd es ihr auch vorkam, es vergingen noch einmal zwei oder drei endlose schwere Herzschläge, bis Dariusz schließlich sein Schwert senkte und widerwillig nickte. Doch obwohl sie sein Gesicht hinter dem schweren Helm nicht erkennen konnte, spürte sie doch, dass die Angelegenheit für ihn damit noch lange nicht erledigt war.
»Los!«, fuhr Dariusz sie an. »Du hast den Marschall gehört!« Sie gehörten mit zu den Letzten, die vor den heranstürmenden Sarazenen zurückwichen. Obwohl sie nur ein kleines Grüppchen waren, eine Hand voll Reiter in einem Heer berittener Gestalten, erhob sich doch aus den Reihen der Sarazenen ein johlendes Triumphgeschrei, als das Baussant endlich herumschwenkte und sich dann zurückzog, und für einen winzigen Moment verstand Robin Dariusz beinahe. Es spielte keine Rolle, ob ein Dutzend Reiter mehr oder weniger auf dem Schlachtfeld war, doch das heilige Banner der Tempelritter zurückweichen zu sehen musste den Sarazenen ebenso viel Kraft geben, wie es den Templern und ihren Verbündeten nahm. Dennoch war Rideforts Entscheidung die einzig richtige gewesen. Aller Tapferkeit und Kraft zum Trotz hätten sie dem Ansturm so oder so nur noch wenige Augenblicke standhalten können, und das Baussant fallen zu sehen hätte eine noch ungleich verheerendere Wirkung auf die Kampfmoral der Truppen gehabt.
Falls es in dem nahezu in Auflösung begriffenen Heer noch so etwas wie Kampfmoral gab. Robin tat, was Dariusz ihr befohlen hatte, und versuchte sich möglichst in seiner Nähe zu halten, und nachdem die kleine Schlacht um das Baussant innerhalb der großen Schlacht vorüber war, gesellten sich immer mehr und mehr Reiter zu ihnen, um ihren Rückzug zu decken, doch sie hatte längst den Überblick nicht nur über ihre eigene Lage, sondern auch den Verlauf der Schlacht verloren. So etwas wie eine Ordnung oder nach strategischen Gesichtspunkten vorgehende Truppenteile schien es nicht mehr zu geben. Es wurde einfach überall rings um sie gekämpft, und Robin konnte selbst nicht mehr sagen, welche Seite im Moment im Vorteil war oder ob überhaupt eine. Sie glaubte zu spüren, dass es um die Sache der Christen nicht gut bestellt war, doch es konnte ebenso gut genau anders herum sein. Das Gelände zwischen dem Flussufer und dem Tal, in dem der so katastrophal beendete Angriff seinen Anfang genommen hatte, brodelte einfach vor Menschen. Hier und da bildeten sich kleine Inseln versprengter Fußsoldaten, die der Flut der Feinde standzuhalten - oder einfach ihr Leben zu retten - versuchten, indem sie sich Rücken an Rücken gegenseitig Deckung gaben oder in kleinen Gruppen zusammenfanden, um sich gegen den übermächtigen Feind zu
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