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Die Rückkehr der Zehnten

Titel: Die Rückkehr der Zehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Schlacht. In der Art, wie er gedankenverloren den Kopf neigte, drückten sich so viel Schmerz und Sehnsucht aus, dass Lis traurig wurde. Sobald er ihre Anwesenheit bemerkte, wandte er sich ab und verschwand den Pfad hinunter im Gewirr der Häuser. Seit ihrem Streit in Zlatas Hütte hatten sie nur noch das Nötigste miteinander gesprochen. Lis wollte nicht den ersten Schritt zur Versöhnung machen, vor allem, da offensichtlich war, dass er sie nicht mochte. Sie musste zugeben, diese Erkenntnis schmerzte. In solchen Augenblicken wünschte sie sich, sie wäre schön und groß wie Tona, und sie zog das Tuch, das sie stets um den Hals trug, hoch bis zum Kinn. Ob Matej weiß, dass er wie ein König aussieht?, fragte sie sich. Wahrscheinlich war ihm seine Ausstrahlung gar nicht bewusst.
     
    In Nemejas Hütte war es schwül und drückend, die Luft legte sich bleischwer auf Zlatas Lungen und ließ sie husten. Matej brachte der alten Priesterin das Essen, das Tona ihr jeden Tag kochte, und immer waren Ratsuchende bei ihr in der Kammer, die durch Zlata das Orakel befragten.
    Es waren schwangere Frauen, die wissen wollten, ob sie einen Sohn oder eine Tochter bekommen würden, Familien, die sich gegen Krieg und Tod schützen wollten oder einfach Nemejas Segen erbaten. Kinder kamen und spielten mit den geweihten Götterbildern, als seien es Spielfiguren. Lis staunte, wie selbstverständlich Zlata sie gewähren ließ. Mit einem Lächeln stellte sie sich vor, was los wäre, wenn Kinder in einer Münchner Kirche mit dem Holzkreuz spielen oder lachend und kreischend um den Altar herumrennen würden.
    Der Glaube an die Götter durchdrang das ganze Leben, niemand stellte in Frage, niemand zweifelte. Nicht einmal der unmittelbar bevorstehende Krieg konnte sie erschüttern. Er war von den Göttern gesandt, eine Prüfung, eine Strafe oder Schicksal, aber nichts, was ihnen das Leben und Lachen verbat. Ein Menschenleben schien nicht so viel zu zählen, die Menschen rechneten jeden Tag mit dem Tod und lebten mit ihm wie mit dem Buchtfieber, den Verletzungen, die sie sich beim Fischfang und in der Schmiede zuzogen, und der Tatsache, dass viele Kinder starben, bevor sie ihren Namen erhalten hatten. Poskur und auch Nemeja waren so gegenwärtig wie das Wasser, das man berühren, und das Feuer, das einem Schmerzen zufügte und alles vernichten konnte. Lis staunte, wie mühelos sie sich in den Rhythmus dieses Lebens eingefunden hatte. Fast unbewusst machte sie das geheiligte Grußzeichen, wenn sie an einer Statue der Nemeja vorbeikam, und sie senkte den Kopf, wenn sie Poskurs flammendem Blick begegnete. Auch die Priester jagten ihr nicht mehr so viel Angst ein. In den vergangenen Tagen hatte sie die Novizen beobachtet und festgestellt, dass sie trotz ihrer überheblichen Art und der düsteren Schminke nicht viel anders waren als ganz normale junge Männer, die ihre Macht und ihr Ansehen genossen, aber gleichzeitig sehr ernsthaft und bemüht waren, ihrem Glauben zu dienen. Selbst Tschurs Arroganz entlockte ihr inzwischen bloß noch ein mitleidiges Lächeln. Nur mit Niam war es etwas anderes. Sein Anblick jagte ihr immer noch einen Schauer über den Rücken, wenn sie ihn über den Marktplatz zum Priesterturm gehen sah. Er war viel unterwegs, hielt die Messen vor dem Priesterturm, sprach mit den Menschen, die sich auf dem Marktplatz versammelten, setzte sich mit Beratern zusammen und ging im Palast ein und aus. Mehr als einmal sah Lis, wie er mit Fürst Dabog über den Platz ging, und immer hatte sie das Gefühl, dass der alte Fürst an den Lippen des Priesters hing wie ein Hund, der seinem Herrn gehorcht. Ihr entgingen auch nicht die Blicke, die sich die Menschen zuwarfen, wenn sie dies bemerkten.
    Die Mitglieder des geheimen Rates der Desetnica verhielten sich in diesen Tagen still und unauffällig. Die Versammlungen wurden ausgesetzt, alle waren auf der Hut vor Niams Spähern. Manchmal erkannte Lis sie – es waren Männer oder Frauen, die unauffällig den Gesprächen in den Gassen lauschten. Dann wechselte Lis sofort das Thema, aber nicht den Tonfall, und unterhielt sich mit Tona über das Färben von Stoff und die Zubereitung der kleinen, gefleckten Katzenhaie, die die ganze Nacht in salziges Zitronenwasser eingelegt wurden, damit ihr Fleisch duftend und zart schmeckte.
    Die Fürstentochter Mokosch sah sie in diesen Tagen mehr als einmal. Stets trug sie den Goldschmuck auf der Stirn und das Haar lang und offen. Begleitet wurde sie nun von zwei

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