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Die Rückkehr der Zehnten

Titel: Die Rückkehr der Zehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Wächtern, deren Schwerter an den Griffen kunstvoll verziert waren. Klauen und Kampfsymbole, geschmückt mit Edelsteinen, leuchteten im diesigen Morgenlicht, wenn sie hinter Mokosch über den Platz schritten. Lis wunderte sich, dass sie die Fürstentochter niemals in Begleitung von Niam oder dem Fürsten sah. Einmal bemerkte sie, wie Mokosch einem der Wächter, die vor dem Priesterturm standen, mehrere Goldmünzen gab, die der Wächter einsteckte und mit einem kurzen Nicken quittierte. Am dritten Tag nach ihrer ersten Begegnung siegte Lis’ Neugier und sie beschloss mehr über die traurige Fürstentochter zu erfahren.
     
    Wie sie vorausgesehen hatte, begegnete sie Mokosch, als diese mit ihren Wachen von einem Besuch bei Zlata zurückkehrte. Der Weidenkorb, den die Fürstentochter über dem Arm trug, war leer, offensichtlich hatte sie der alten Priesterin Wein und Speisen zum Geschenk gemacht und war nun auf dem Weg zurück in den Palast. Lis trat an sie heran und lächelte den Wächter, der sich sofort zwischen sie und Mokosch drängte, freundlich an.
    »Verschwinde«, knurrte er.
    »Das werde ich gerne tun«, erwiderte Lis. »Aber erst habe ich eine Botschaft für deine Herrin.«
    Mokosch sah erschrocken und blass aus. Der zweite Wächter antwortete sofort, ohne sich darum zu kümmern, ob seine Herrin etwas sagen wollte. »Eine Botschaft kannst du ihrem Diener im Palast überbringen, wenn du willst, aber nicht hier. Aus dem Weg.«
    Lis wich einen Schritt zurück, machte aber den Weg nicht frei. Mit klopfendem Herzen sah sie, wie die Hand des Wächters in Richtung Schwert wanderte. »Willst du dich gegen eine Dienerin mit dem Schwert verteidigen?«, sagte sie leichthin. »Ich habe eine Nachricht für Mokosch. Ich bin Lisanja, die Dienerin von Karjan, der Gast im Hause von Niam ist.«
    »Ich will nicht hören, was Niams Gast mir zu sagen hat.« Mokoschs Stimme klang leise, aber scharf.
    Lis hatte diese Antwort erwartet. Es bestätigte ihren Eindruck von der Angst und Einsamkeit, die die Fürstentochter ausstrahlte. Sie lächelte und trat beiseite. »Wie du wünschst, Mokosch. Ich dachte, du würdest dich freuen zu erfahren, was deine Träume zu bedeuten haben.«
    Die Blässe in Mokoschs erschrockenem Gesicht wich einer tiefen Röte. Ihre Augen wurden riesengroß. »Was weißt du von meinen Träumen?«, brachte sie hervor.
    Lis verkniff sich ein Lächeln. Offensichtlich hatte sie ihren Finger auf die richtige Wunde gelegt. Im Stillen dankte sie Tona für ihre Gesprächigkeit. »Ich weiß, dass sie dir keine Ruhe lassen«, sagte Lis ernst und holte die Hand voll Eidechsenknochen aus dem kleinen Lederbeutel. »Ich kann dir helfen, sie zu verstehen. Ich habe das siebte Gesicht und lese aus den Knochen der Eidechse.«
    Mokosch starrte auf den winzigen Schädel, der in ihrer Hand verloren und dennoch bedrohlich wirkte.
    Lis beugte sich noch weiter vor. »Selbst Zlata kennt meine Kunst.«
    Mokosch zuckte zusammen, dann straffte sich ihre Gestalt, plötzlich sah sie würdevoll aus, ganz Herrscherin. »Lasst sie mitgehen«, befahl sie ihren Wächtern. »Ich will hören, was die Eidechse mir zu sagen hat.«
    Der Wächter, der Lis zurückgehalten hatte, trat widerwillig einen Schritt zur Seite und warf Mokosch einen bedrohlichen Blick zu, den sie betont ignorierte.
    Lis’ Herz machte einen kleinen Freudensprung. Ruhig nickte sie und folgte der kleinen Prozession zum Fürstenpalast.
     
    Im Vergleich zum Priesterhaus war der Palast eine richtige Schatzkammer. Lis blieb der Mund offen stehen, als sie in den reich geschmückten Innenhof trat. In den Boden war ein buntes Mosaik aus hellgrünen, türkisfarbenen und rötlichen Steinen eingelassen, das eine riesige Muräne im Kampf mit dem Feuergott Poskur zeigte. Wenn man etwas Fantasie hatte, konnte man darin auch die Umarmung zweier Liebender erkennen. Riesige Tongefäße standen an den Wänden, in kupfernen Prunkkesseln brodelten Fischsuppen von verschiedener Farbe. Vergoldete Tierschädel hingen über den hohen runden Torbögen. Schilde und Schmuckplatten reflektierten die ersten Sonnenstrahlen, die nach Tagen des Regens wieder durch die Wolken zu brechen begannen. Diener und Palastbewohner waren so auffallend und prächtig gekleidet, dass Lis auf den ersten Blick nicht unterscheiden konnte, wer Diener und wer Gebieter war. Perlmuttkämme und Muscheln waren in die langen Haare der Frauen eingeflochten, Spiralarmringe in Muränenform blitzten an braun gebrannten, muskulösen

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