Die Rückkehr der Zehnten
und klebte am Körper. Eine alte Frau grinste sie an und zog sie beiseite. Ohne ein Wort zu sagen entwirrte sie Lis’ Haar und rieb es mit der Duftpaste ein, bis ein feiner Schaum entstand, dann wrang sie ihr ohne Vorwarnung das Haar aus, bis Lis dachte, sie würde ihr sämtliche Haare ausreißen. Aber sie wagte nicht zu protestieren, denn die anderen Frauen schienen diese Prozedur nicht ungewöhnlich zu finden. Nach einer Weile begannen einige von ihnen rhythmisch zu klatschen und stimmten ein Lied an, das Lis an die gälischen Gesänge erinnerte, die Levin gerne hörte. Ein wenig schämte sie sich, als die alte Frau sie kurzerhand aufforderte, endlich ihr Kleid auszuziehen, und sie dann nackt zwischen die fremden Frauen schob, aber nach und nach gewöhnte sie sich an das erfrischend kalte Wasser. Der Duft der Seifenpaste machte sie angenehm schläfrig und entspannte sie. Die Gesänge lullten sie ein, sodass sie plötzlich spürte, wie müde sie war. Am Ende der Waschung rubbelten sie sich mit groben Tüchern ab, bis die Haut rot und trocken war, dann massierte die alte Dienerin Lis’ Arme und Gesicht mit einem gelblichen Öl. Ihre Haare wurden mit Perlmuttkämmen geglättet, geflochten und hochgesteckt. Als Lis vorsichtig ihre Frisur befühlte, spürte sie, dass wie bei den anderen Frauen Muscheln in das Haar eingeflochten waren. Schließlich wurde sie unsanft zu einem Mädchen geschoben, das mit mehreren Tontiegeln mit farbigem Pulver aus zerstampften und zerriebenen Kräutern und Blüten auf einem Brettchen dasaß. Gehorsam schloss Lis die Augen und ließ sich das Gesicht einreiben, sie atmete etwas ein, das in ihrer Nase kitzelte, und musste niesen. Als sie die Augen wieder aufschlug, glänzten ihre Oberarme vor Goldstaub, wie sie es bei den Frauen im Palast gesehen hatte. Vermutlich sah ihr Gesicht ähnlich golden aus. Sie lächelte, dankte dem Mädchen mit einem Nicken und stand auf.
Firenc sah sie zufrieden an, als sie wieder in die Kammer trat. Sie bemerkte, dass er nicht nur das Kleid und den Halsschmuck vorbereitet hatte, sondern auch eine Unmenge an passenden Gürteln und Armringen zurechtgelegt hatte.
»So, jetzt komm her«, sagte er statt einer Begrüßung und reichte ihr das Kleid. Er grinste, als er ihr Zögern bemerkte, rollte mit den Augen und drehte sich ergeben um. Während er mit dem Rücken zu ihr nach einem weiteren Spiralarmreif suchte, streifte Lis rasch ihr einfaches, noch feuchtes Kleid vom Körper und schlüpf te in das Festgewand. Es fühlte sich angenehm und leicht auf der Haut an. Bewundernd strich sie über den reich verzierten Halsausschnitt und die winzigen, unregelmäßigen Perlen und Muschelstücke. Ein wenig fühlte sie sich wie eine Prinzessin. Firenc trat mit dem klingenden Halsschmuck an sie heran. Kühles Gold legte sich wie eine schmeichelnde Hand auf ihre Haut. Unwillkürlich erschauerte Lis und betastete den kostbaren Schmuck, der ihren ganzen Hals bedeckte und zwischen ihren Schlüsselbeinen spitz zulief.
Ehe sie sichs versah, hatte Firenc einen Streifen Stoff an ihrem Dekollete geschickt mit einer Fibel gerefft, die die Form eines Delfins hatte. »Und jetzt die noch«, sagte er und reichte ihr die Armringe, die sie bis zu den Oberarmen hochstreifte. Schließlich gab ihr der alte Gewandmeister noch einen Gürtel, dessen fibelartige Schnalle wie ein aufgerissenes Fischmaul geformt war. Lis war so fasziniert davon, die fein herausgearbeiteten Kiemen und Zähne zu betrachten, dass Firenc sie ermahnen musste, sich zu beeilen. Mit fliegenden Fingern band sie sich den Beutel mit den Eidechsenknochen an den Gürtel und strich sich das Kleid glatt. Firenc trat einen Schritt zurück und nickte zufrieden. »So bist du würdig, das Fest der kriegerischen Seelen zu feiern«, sagte er. »Nun lauf, die Sonne geht bereits unter, gleich beginnt der Tanz!«
Im Innenhof des Palastes brannten Fackeln. Ihr zitternder Schein ließ die vergoldeten Stierschädel über den Türen gespenstisch lebendig erscheinen. Die Krieger hatten sich ihre Haare mit Fett und Kalk eingerieben und wirkten mit ihren schwarz bemalten Gesichtern wie Dämonen. Ihr monotoner Kampfgesang schallte über den Platz und ging Lis bis ins Zwerchfell. Zu ihrem Erstaunen erkannte sie, dass auch Frauen zu den Kriegerhorden gehörten. Wie die Männer trugen sie kürzere Übergewänder aus dickem Stoff und lange Hosen. Lederne Brustplatten und Schienbeinschoner waren offensichtlich dafür gedacht, die Schwerthiebe ihrer
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