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Die Rückkehr der Zehnten

Titel: Die Rückkehr der Zehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Feinde abzuhalten. Die Kriegsbemalung ließ ihre Gesichter ebenso Furcht erregend aussehen wie die ihrer männlichen Mitstreiter.
    Alle anderen, die nicht zu den Kriegern zählten, saßen auf den Fellen im Innenhof des Palasts, in dessen Mitte ein riesiges Feuer brannte. Zwei Diener waren nur dafür da, die Flammen am Leben zu erhalten und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass das Feuer keinen Schaden anrichtete. Das Palasttor stand weit offen, sodass Lis fast den ganzen Marktplatz überblicken konnte. Auch draußen vor dem Priesterturm brannten Feuer. Niedrige Tische bogen sich unter unzähligen Muscheltellern und großen Ton- und Kupferschalen, aus denen Essensdämpfe aufstiegen, aber noch hatte niemand mit dem Mahl begonnen.
    In der Nähe des Fürstentisches, der am nächsten zum Feuer stand, entdeckte Lis Niam und die Priester. Am selben Tisch saß auch Levin. Sein Haar war zurückgekämmt und er trug die dunkle Schminke der Priester um die Augen, was ihm ein sehr unfreundliches und sogar bedrohliches Aussehen verlieh. Hätte sie ihn so auf der Straße getroffen, sie hätte Angst vor ihm bekommen. Es verwirrte Lis, ihren Bruder so verändert zu sehen, doch dann dachte sie daran, dass sie selbst in die Hoftracht gekleidet war und bestimmt auch nicht mehr an die schüchterne Lis mit dem Halstuch erinnerte.
    Neben Niam saß Fürst Dabog. Er sah verbissen aus; sein Mantel und die Kupferkrone schienen ihn zu erdrücken.
    Neben ihm saß ein Mann, der etwa vierzig Jahre alt sein mochte. Er sah Dabog überhaupt nicht ähnlich, gehörte aber seiner Haltung nach zu urteilen eindeutig zur Fürstenfamilie. Lis nahm an, dass es der Schwiegersohn Woloss war. Links von ihm saßen mit untergeschlagenen Beinen Mokoschs Schwestern, beides schöne, dunkelhaarige Frauen mit ernsten, fülligen Gesichtern. Ihre goldbepuderten Wangen und Arme glänzten. Und ganz am Ende der Reihe saß zierlich und ein wenig verloren Mokosch. Sie war ebenso erlesen gekleidet wie ihre fürstlichen Geschwister, doch ihr Blick war der eines gehetzten Wildes, das wusste, dass die Raubtiere es bereits entdeckt und eingekreist hatten.
    Lis schnitt das Mitleid ins Herz, als sie sie sah. Gerne hätte sie sich neben sie gesetzt und sie aufgeheitert. Mit gesenktem Kopf trat sie vor den Tisch, verbeugte sich vor Fürst Dabog, der sie ausdruckslos anstarrte, dann wandte sie sich Niam und Levin zu. »Ich grüße dich im Namen Swantewits«, sagte sie.
    Levin verschluckte sich.
    Erst da wurde Lis bewusst, dass er sie im ersten Moment nicht erkannt hatte. Er hustete und starrte sie mit riesigen Augen an.
    Niam musterte sie kühl, aber mit einem gewissen Interesse. »Ich grüße dich, Lisanja. Setze dich zu uns«, sagte er an Levins Stelle und deutete auf einen Platz neben dem Novizen Wit. Natürlich, der Fürstensohn saß ebenfalls an der Tafel seiner Familie. Wit lächelte und rückte bereitwillig ein Stück zur Seite. Die anderen Novizen, die am Nebentisch Platz genommen hatten, sahen zu ihr herüber und grüßten sie mit einer nie gekannten Freundlichkeit. Nichts erinnerte mehr an die arroganten jungen Männer, die sie noch vor wenigen Tagen wie eine Bauernmagd behandelt hatten. Nun war sie fürstlich geschmückt und, so begriff sie, nicht als Dienerin geladen, sondern trat als Seherin an Levins Seite auf.
    Verstohlen sah sie sich um und begegnete dem Blick ihres Bruders. Er zog anerkennend die Brauen in die Höhe. Plötzlich musste sie lächeln und spürte, wie sie unter dem Goldstaub rot wurde.
    Die Kämpfer beendeten ihren Gesang mit einem getrillerten und gebrüllten Kampfschrei, der Lis durch Mark und Bein ging, dann erhob sich Fürst Dabog, um den Tänzern zu danken. »Mein Volk, Krieger Poskurs!«, begann er. »Heute feiern wir den Abschied vom Frieden der Sommertage und begeben uns in die Stürme des Krieges. Unsere Späher haben die Feinde gesehen, ihre Schiffe liegen weit hinter der Bucht verborgen, ein Reiterheer wartet darauf, Antjana zu Staub zu zermahlen. Wieder einmal werden wir in Poskurs Flamme kämpfen, doch diesmal gegen einen Feind, der sich gegen die Götter selbst richtet: Unsere Feinde sind die Sarazenen und an ihrer Spitze die Desetnica, die Zauberin, die dem Willen der Götter getrotzt hat und sich gegen ihre Stadt erhebt.«
    Lis glaubte einen Anflug von Furcht in seiner Stimme wahrzunehmen. Sie stellte sich vor, wie Dabog nachts auf seinem Lager Löcher in die Dunkelheit starrte, schlaflos, voller Angst, vor Augen das Bild einer Furie, die

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