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Die Rückkehr der Zehnten

Titel: Die Rückkehr der Zehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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und ging über den Platz zum Palast. Sein Haar hatte er zu einem kurzen Zopf zusammengebunden und sein Gesicht war immer noch rot und sonnenverbrannt, aber die Krusten auf seinen Wangen waren dunkel und trocken und würden bald abfallen ohne Narben zu hinterlassen. Obwohl Lis ihn nur wenige Tage nicht gesehen hatte, kam er ihr verändert vor. Nicht nur dass er magerer geworden war, was ihm gar nicht schlecht stand, in seinem Gesicht war auch ein neuer Ausdruck. Er schien ihr erwachsener und ernster. Sie beherrschte sich, um nicht nach ihm zu rufen, und wartete stattdessen voller Ungeduld, bis er sie endlich entdeckte. Erleichtert sah sie, wie sich ein Lächeln über sein Gesicht breitete. Er sagte etwas zu Niam und machte eine Geste, die besagte, dass sie zu ihm kommen sollte.
    Niam betrachtete sie mit zusammengezogenen Brauen. Lis war es unangenehm, dass er sie so eingehend und mit unverschämter Genauigkeit musterte, als sie auf Levin zuging. Sie wusste, er hatte von ihrem Ausflug in den Palast erfahren. Ihr Mund wurde trocken vor Aufregung, aber sie beherrschte sich und überquerte, so arglos und ruhig sie konnte, den Platz. Für einen Moment war sie unsicher, ob sie vor Levin und Niam eine Verbeugung andeuten sollte, aber dann entschloss sie sich, zum Gruß nur kurz zu nicken.
    »Lisanja!«, rief Levin ihr entgegen. »Ich hoffe, du hast eine gute Unterkunft?«
    Lis bejahte wie eine höfliche Dienerin und versuchte immer noch, unter Niams bohrenden Blicken unbefangen zu wirken. »Ich übernachte in einer Fischerhütte und habe mich in der Stadt umgesehen.«
    »Und sie hat sich schon viele Freunde gemacht«, warf Niam ein. Es sollte überlegen und scherzhaft klingen, aber Lis hörte den lauernden Unterton nur zu deutlich. Niam traute ihr nicht. Wahrscheinlich wollte er nur sehen, ob er sie mit dieser Andeutung verunsichern konnte. Nun, diese Hoffnung würde sie ihm nehmen.
    »Ja, das habe ich«, erwiderte sie ernsthaft und wandte sich wieder an Levin. »Auch du wirst noch Zlata, die Hohepriesterin der Nemeja, kennen lernen. Von ihr kann ich eine Menge über Weissagungen erfahren. Außerdem habe ich gestern für Mokosch, die dritte Tochter des Fürsten, ihre Träume gedeutet. Sie fürchtet sich vor den Sarazenen, die Arme.«
    Levins Augenbrauen zuckten nur kurz nach oben. Er war irritiert, das sah Lis ihm an, doch er ging auf das Spiel ein und nickte. »Ich werde mich freuen, die Hohepriesterin Zlata zu besuchen.«
    Niams Gesicht hatte sich verhärtet, offensichtlich konnte er sich keinen Reim darauf machen, warum diese Magd bereitwillig zugab, dass sie Kontakte außerhalb der Priesterkreise schloss. Hatte er doch gedacht, sie in die Enge treiben zu können, indem er sie zwang, ihre Bekanntschaft mit der Priesterin zu vertuschen. Mit seinem schmalen Gesicht erschien er Lis wie eine Hyäne, die zwar witterte, dass etwas nicht stimmte, aber den Grund für ihr Unbehagen nicht finden konnte.
    »Ach ja, die gute Zlata«, sagte Niam nun. »Sie ist alt geworden. Langsam bereitet sie sich darauf vor, von Nemeja in das ewige Meer getragen zu werden.«
    Levin wandte sich an Niam. »Ich möchte, dass Lisanja mich heute zum Fest der kriegerischen Seelen begleitet. Da sie die Fürstentochter schon kennt, ist sie zwar im Gegensatz zu mir im Vorteil, aber diesen Vorsprung lasse ich ihr gerne. Schließlich ist ihr Wissen auch mein Wissen.«
    Niams Mundwinkel zuckte nur, als er mit einem angedeuteten Nicken antwortete. »Sie ist deine Dienerin, also steht es dir frei, sie mitzunehmen, wohin du willst.« Wieder betrachtete er sie unverhohlen, doch diesmal schätzte er offenbar ab, ob er sie so, wie sie aussah, zum Fest gehen lassen konnte. Nachdenklich musterte er ihr Haar und ließ den Blick zu ihrem schlichten Kleid wandern. Als er ihr Halstuch entdeckte, stutzte er kurz, aber anscheinend machte er sich keine weiteren Gedanken. »Lisanja, begib dich zur Dienerkammer im Palast und frage nach Firenc«, sagte er schließlich. »Er wird dir ein Kleid geben, das dem Anlass angemessen ist.«
    Unwillkürlich kam Lis sich schäbig vor und unterdrückte den Impuls, ihre Hände, die noch Farbspuren vom Färben der Stoffe trugen, hinter dem Rücken zu verstecken. Levin, so begriff sie, hatte seine Prüfung hinter sich, ihre dagegen stand ihr noch bevor. Sie nickte höflich. »Zu Firenc, ich werde ihn aufsuchen.«
    »Gut, dann geh«, sagte Levin etwas zu streng.
    Ohne ein weiteres Wort folgte er Niam und den anderen Priestern zum Palast. Lis

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