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Die Rückkehr der Zehnten

Titel: Die Rückkehr der Zehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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lauter.
    Am Rand der Bucht legten riesige Schiffe ab. Tief lagen sie im Wasser, Hufgetrappel hallte vom Deck. Lis kniff die Augen zusammen und erkannte, dass es sich bei den drei riesigen Schiffen, wie sie bereits vermutet hatte, um reine Transportschiffe handelte.
    »Das sind unsere Ghanjah«, erklärte Baschir. »Sobald wir mit den Sambuq den Weg frei gemacht haben und die Vorhut zu den Stadttoren gelangt ist, haben wir hier ein Fußheer und Reiter, die die Stadt allein durch ihre Überzahl leicht einnehmen können.«
    Lis wurde kalt, die Eisenglieder ihres Kettenhemdes schienen sich in ihre Haut zu frieren und ihr Herz zu umschließen. Levin, dachte sie wie eine Beschwörung. Bitte halt durch, Levin.
     
    Delfine glitten neben den Schiffen durch das diamantklare Wasser. Im Dämmerlicht der ausklingenden Nacht wurde das Meer für wenige Augenblicke durchsichtig. Alle Spiegelungen verschwanden und Lis konnte in die Tiefe sehen und Wolken von Fischen beobachten, die nach allen Seiten flohen, wenn eines der Ruder mitten in den Schwarm tauchte. Der Takt der Ruderschläge ließ ihren Körper vor- und zurückschwingen, bis sie das Gefühl hatte, ihr Atmen habe den Rhythmus des Schiffes angenommen.
    Ihr Blick sank tiefer und tiefer ins Meer, fast war es ihr, als würde sie im Wasser treiben und in die Stille bis zum felsigen Meeresgrund hinunterschwimmen. Ein Fischleib tauchte vor den Felsen auf, schlangengleich schnappte der riesige Fisch nach ihr. Muränenaugen glotzten sie an, die durchgehende Rückenflosse wirbelte in Wellenbewegungen. Ihr Maul mit den hervorstehenden Zähnen schien Lis anzugrinsen, dann schlängelte sich Nemejas Botin davon.
    Antjana war erwacht. Schon von weitem sah man die Krieger, die wie eine dunkle Zackengirlande die Stadtmauer säumten. Kriegsgesang hallte dem Sarazenenheer wie das Summen eines Bienenschwarms entgegen. Die Sarazenen dagegen schwiegen.
    Auf Intisars Zeichen machten sich die Bogenschützen bereit. Ein nervöser junger Schütze mit langem rotblondem Haar sortierte mit fliegenden Fingern seine Pfeile, bevor er sich den Köcher auf dem Rücken festband. Die Schwertkrieger hoben ihre Schilde, um die Insassen der Schiffe zu schützen. Lis hörte ein Zischen und Sirren in der Luft. In einer anderen Zeit hätte sie gedacht, ein Heuschreckenschwarm rausche auf sie zu, doch jetzt wusste sie mit blitzklarer Gewissheit, Antjana hatte mit der Verteidigung begonnen.
    Ein Hagel von Pfeilen ging auf die erhobenen Schilde nieder, Schläge knallten auf das Holz, lange, geschnitzte Pfeile schlugen neben dem Schiff in das Wasser und verschwanden in der Tiefe.
    »Lisanja!« Intisars Stimme klang scharf und klar. Wie elektrisiert sprang Lis auf und rannte geduckt durch einen Tunnel von Schilden und Beinen zum Bug des Schiffes, dorthin, wo die Desetnica saß. Das Gesicht der Kriegerin war angespannt, mit ihren Raubvogelaugen beobachtete sie den schmalen Landstreifen vor der Stadtmauer.
    Pfeile zischten rechts und links von Lis in die Luft, als die Sarazenen den Angriff der Antjaner hundertfach erwiderten. Dunkle Körper fielen wie Treibgut von der Mauer und stürzten ins Meer. Der Kampflärm war so laut, dass Lis schreien musste, um sich verständlich zu machen. »Wir müssen nach rechts – dort beim Vorsprung ist der geheime Gang!«
    Die Desetnica nickte und brüllte dem nächsten Ruderer einen Befehl zu. Das Schiff drehte ab und nahm Kurs auf das Mauerstück, auf das Lis gedeutet hatte. Auf einen Wink des Navigators beschleunigten die anderen Schiffe ihre Fahrt und lenkten die Aufmerksamkeit der antjanischen Schützen auf sich.
    Der Sarazene, der Jishaar hieß, drückte Lis einen Schild in die Hand und wies sie mit barschen Worten und einer Geste an, es schützend über ihren Kopf zu halten.
    Wie wollen wir an Land kommen?, dachte Lis. Ihre Zähne klapperten, doch seltsamerweise war sie innerlich sehr ruhig und konzentrierte sich darauf, den Schild festzuhalten, der unter den Schlägen der Pfeile erzitterte. Eine Metallspitze bohrte sich genau neben ihrem rechten Daumen durch das Holz. Erschrocken verlagerte sie ihre Hand, doch sie erkannte, dass es ein sinnloses Unterfangen war. Schließlich konnte sie nicht vorhersagen, wo der nächste Pfeil ihren Schild treffen würde. Ihre Arme kribbelten in der angstvollen Gewissheit, dass jederzeit eine Pfeilspitze ihre Hand durchschlagen konnte. Durch die Ritzen zwischen den Schilden erkannte sie bereits die Gesichter der Wächter auf den Mauern. Einer

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