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Die Rückkehr der Zehnten

Titel: Die Rückkehr der Zehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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zielte direkt auf Lis’ Boot. Bevor sie schreien konnte, schwirrte schon der Pfeil heran. Metall blinkte in den ersten Strahlen der Morgensonne, dann stürzte der Mann, der Lis ein Kamelkalb genannt hatte, ohne einen Schrei vom Boot. Wie eine Finne ragte der Pfeil zwischen seinen Schulterblättern hervor, als er mit dem Gesicht nach unten in einer Blutwolke über die Wellen davontrieb. Lis drehte sich um und kämpfte gegen die Übelkeit, die sie würgte.
    »Ist es hier?«, brüllte ihr Intisar zu und deutete auf den Mauervorsprung, der nicht mehr weit entfernt war.
    Lis blinzelte und nickte mühsam.
    »Also los!« Die Desetnica stieß einen kehligen Befehl aus und sprang über die Reling ins Wasser.
    »Spring!«, brüllte Baschir Lis zu.
    »Mit dem Kettenhemd? Wie soll ich da schwimmen!«
    »Du sollst nicht schwimmen, du Ba’yr, du gebrauchst das Schiff als Schild, los!« Mit hartem Griff schob er sie zur Reling und versetzte ihr einen Stoß.
    Die Angst traf sie wie ein kalter Wasserschwall, doch noch im Fallen entdeckte sie die Seile, die jemand über Bord geworfen hatte. Sie waren mit einem Ende an der Reling befestigt. Die anderen Seilenden trieben nebeneinander im Wasser, sodass Lis leicht eines davon ergreifen konnte, bevor das Gewicht des Kettenhemdes sie nach unten zerrte. Keuchend zog sie sich am Seil hoch und trieb auf der von der Stadtmauer abgewandten Seite neben dem Schiff. Vor und hinter sich im Wasser sah sie die Krieger mit den Äxten, ganz vorne war die Desetnica.
    Hinter ihnen boten die anderen Sarazenenschiffe alles auf, um die Krieger auf der Stadtmauer zur Deckung zu zwingen. Bald erreichte die Sambuq das Ufer. Die runden Schilde über dem Kopf haltend wateten sie wie Schildkröten an Land und rannten zur Mauer.
    Lis sah sich gehetzt um und suchte den Strand nach Matej ab. Ihn zu rufen wagte sie nicht. Er war nirgends zu sehen. Es gab ihr einen Stich beim Gedanken daran, dass er vielleicht schon gefangen genommen worden war, doch als sie Intisars fragenden Blick sah, nickte sie nur stumm und rannte weiter bis zu dem Geheimgang. Jemand hatte ihn sorgfältig mit Steinbrocken getarnt, aber dennoch fand Lis die Öffnung mühelos wieder. Intisar gab zweien ihrer Männer ein Zeichen, die sich die Schilde auf den Rücken banden und den Weg freiräumten.
    Der erste Pfeil von der Stadtmauer zischte vorbei, als vier der Sarazenenkrieger im Gang verschwunden waren. Lis sah sich um in der Hoffnung, irgendwo doch noch Matej zu sehen, und entdeckte, dass weitere Schiffe angelegt hatten. Immer noch ging der Pfeilhagel über den Wachen auf der Stadtmauer nieder. Das Meer kochte vor Pfeileinschlägen. Tote Körper trieben im Wasser.
     
    Der harte Griff an ihrem Oberarm riss sie aus der beginnenden Betäubung des Schocks, der sie beim Anblick der vielen Toten zu übermannen drohte.
    »Komm«, sagte die zehnte Tochter erstaunlich sanft und lächelte ihr zu. In ihren Augen glomm ein unheimliches Licht. Lis riss sich zusammen, atmete tief durch und kroch in den Gang.
    Wieder umfingen sie Dunkelheit und modrige Stille. Der Kampflärm verebbte nach wenigen Metern. Vor sich hörte sie das Schleifen einer Axt, die über den Boden gezogen wurde, dann nahm sie eine geflüsterte Auseinandersetzung der Krieger wahr. Schwacher Lichtschein fiel in das Ende des Ganges, nicht genug, um beobachten zu können, wie der erste Krieger sich in den Umkleideraum des Palastes hochzog, aber doch so viel, dass Lis seine Bewegungen erahnen konnte. Plötzlich polterte es über ihnen. Ein kurzer Schrei brach abrupt ab, als das Geräusch eines Schlags ertönte, dann fiel endlich genügend Licht in den Tunnel.
    Behände wie ein Akrobat kletterte Jishaar an den Wänden hoch, wobei er sich rechts und links abstützte. Chalid und Aladar waren bereits im Raum der Diener. Mühelos zogen sie Lis hoch und reichten ihrer Herrin die Hände. Lis blinzelte in den Raum. Der Altar mit den hölzernen Götterbildern war umgestürzt – das war das Poltern gewesen. Und vor dem Altar lag mit weit aufgerissenen, erstaunten Augen der alte Gewandmeister Firenc. Sein Blut klebte an Aladars Kurzaxt, die tiefe Wunde knapp über dem Schlüsselbein zeigte, dass Firenc schnell gestorben war, wahrscheinlich mitten im Gebet und ohne zu begreifen, wer direkt unter seinem Opferschrein erschienen war. »Firenc!«, flüsterte Lis und ließ sich neben dem alten Mann auf die Knie fallen. Mit zitternden Fingern berührte sie das blasse Gesicht. Jishaar machte eine ungeduldige

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