Die Rückkehr Des Bösen
ging sie mit den Kerlen immer in ein Hotelzimmer. Allerdings erst, nachdem einer ihrer Freunde einen flotten Dreier vorgeschlagen hatte.“
„Sie ließ sie also einfach allein“, sagte Schwester Kate.
„Das kam mir damals wie ein Segen vor“, gestand Maggie. „Wenn man allein ist, kann einem keiner etwas tun.“
„Haben Sie je darüber nachgedacht, ob das einer der Gründe war, weswegen Sie zum FBI gegangen sind?“
„Keine Ahnung. Aber was spielt das auch für eine Rolle?“ Maggie hatte nicht die geringste Lust, den Abend zu einer psychoanalytischen Sitzung ausarten zu lassen.
„Vielleicht gibt Ihnen das ja die Möglichkeit, selbst jener Ritter zu sein, der Retter, der Ihnen in Ihrer Kindheit nie beisprang.“
Maggie nippte vorsichtig an ihrem Weinglas, wenngleich sie es am liebsten in einem Zug geleert hätte. Falls sie es nicht schaffte, ihrem Gespräch ein andere Wendung zu geben, lief es auf mehr als nur ein Glas hinaus, das wusste sie.
„Und wie war’s bei Ihnen?“ erkundigte sie sich. „Wovor musste Ihr Großvater Sie mit seinen Rittergeschichten retten?“
„Es war nicht viel anders als bei Ihnen. Er war ein guter Freund meiner Eltern, jemand, den sie geradezu verehrten. Ein Mal im Monat kam er sonntags zum Abendessen. Ich war damals elf.“ Ihr Blick wanderte über die Straße. „Meine Mutter machte dann immer Schmorbraten und diese kleinen Karotten, denn das war sein Leibgericht. Anschließend bot er sich dann an, mich nach oben in mein Zimmer zu bringen und mir vor dem Einschlafen eine Gute-Nacht-Geschichte zu erzählen, obwohl ich protestierte, denn ich hielt mich für zu alt für so etwas. Und so kam es dann, dass er mich einmal im Monat am Sonntagabend vergewaltigte. Drei Monte lang. In meinem eigenen Bett.“
Sie richtete den Blick wieder auf Maggie, wie um sich zu vergewissern, ob sie noch da war. Maggie starrte sie nur nur an, als habe es ihr die Sprache verschlagen.
„Anfangs glaubten mir meine Eltern nicht. Aber irgendwann kamen Dinge ans Licht, die sich eine Elfjährige nicht aus den Fingern saugen kann.“ Schwester Kate griff nach ihrem Weinglas und nippte daran. „Bis auf den heutigen Tag kann ich keinen Schmorbraten mehr sehen“, sagte sie mit einem leichten Schmunzeln, das Maggie jedoch eher erzwungen vorkam.
„Das erstaunt mich immer wieder“, erwiderte Maggie. „Auf welch unterschiedliche Weise jeder von uns die Grausamkeiten bewältigt, die man ihm angetan hat. Die meisten Serienmörder sind irgendwann als Kind missbraucht worden, und was passiert? Sie schlachten unschuldige Menschen ab, wahllos und aufs Geratewohl. Sie hingegen sind einen anderen Weg gegangen und haben Ihr Leben ganz der Kirche gewidmet.“
„Und Sie das Ihre dem FBI. Wahrscheinlich wollten wir beide so etwas wie Ritter in schimmernder Rüstung sein.“
86. KAPITEL
Hotel „Embassy“, Omaha
Nick versuchte, klare Gedanken zu fassen. Jetzt in Panik zu geraten würde überhaupt nichts bringen. Er hatte das Gefühl, als ginge alles wieder von vorne los – genau wie vor vier Jahren.
Nein, das stimmte so natürlich nicht. Timmy war inzwischen älter und würde nicht einfach mit jedem X-Beliebigen mitgehen. Was aber, wenn ihn sich jemand mit Gewalt gepackt hatte? Warum bloß hast du deinem Neffen nicht ein paar Kniffe zur Selbstverteidigung beigebracht, fragte er sich. Pah! Wie denn, wenn man zweitausend Kilometer entfernt in Boston saß? Nick schüttelte den Kopf. Es nützte doch nichts, sich Selbstvorwürfe zu machen.
Er hatte bereits überall nach Timmy gesucht, am Swimmingpool, im Fitnesscenter, auf der Terrasse, im Restaurant. Jetzt marschierte er die Flure ab und fragte jedes Zimmermädchen, das ihm über den Weg lief, doch keins von ihnen hatte den Jungen gesehen. Schließlich kehrte er in sein Zimmer zurück. „Hat er sich gemeldet?“ fragte er Gibson, kaum dass er eingetreten war.
„Nee. Und Sie haben ihn auch nicht gefunden?“ Gibson hockte auf der Bettkante. Sein schlaksiger Oberkörper schaukelte rhythmisch vor und zurück.
„Ich hab das gesamte Hotel abgesucht. Kein Mensch will ihn gesehen haben.“
Ratlos lief Nick im Zimmer auf und ab, blieb schließlich vor dem Fenster stehen und ließ den Blick über den Old Market schweifen. Wieder dachte er daran, was vor vier Jahren passiert war, als Timmy von diesem Irren gekidnappt wurde und sie ihn schon fast verloren geglaubt hatten. Wo konnte der Junge nur stecken, verdammt? Sollte er Christine anrufen? Nein, dazu war es
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