Die Rückkehr Des Bösen
davongekommen waren, ihrer gerechten Strafe zuführte. Möglich, dass er seine Taten als ein notwendiges Übel sah, mit dem er weiteres Unheil von anderen Kindern abwendete. Es war durchaus nicht ausgeschlossen, dass er sich als eine Art Kreuzfahrer wähnte, der die wehr- und hilflosen Opfer schützte und die schon verlorenen rächte. Wer könnte die Vergeltung der bösen Tat besser rechtfertigen als ein Priester? Immerhin blickte die katholische Kirche auf eine lange Tradition von Kreuzzügen gegen das Böse zurück.
Maggie beschloss, den Anruf bei Cunningham vorerst aufzuschieben und sich mit ihm nach dem Gespräch mit Detective Pakulain Verbindung zu setzen. Pakulas Unterstützung hatte sie nämlich bitter nötig. Also versuchte sie es zunächst bei Gwen, sowohl in der Praxis als auch auf Gwens Handy, erreichte unter beiden Nummern jedoch nur den Anrufbeantworter. Auch Detective Racine ging nicht ans Telefon. Wäre doch bloß Tully schon aus dem Urlaub zurück! Irgendjemand musste nach Gwen sehen, ob alles mit ihr in Ordnung war.
Sie kam an dem Klassenzimmer vorbei, in dem ihr vorhin die Sammlung antiker Gegenstände aufgefallen war. Die Klasse selbst hatte wohl gerade Pause, denn der Raum war verwaist. Maggie sah sich kurz um, doch sie war ganz allein auf dem Flur. Das Erste, was ihr ins Auge stach, als sie den Raum betrat, waren mehrere antike Dolche, die auf einem mit schwarzem Filztuch bedeckten Tresen lagen. Das Metall blitzte unter den Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen. Sie beugte sich über die Waffen und nahm sie in Augenschein, ohne sie zu berühren. Zwei waren erheblich länger als herkömmliche Messer und mit einem auffallenden Heft zwischen Klinge und Griff versehen. Die Griffe waren mit aufwändigen Ornamenten verziert, einige schon so abgewetzt, dass man nicht mehr unterscheiden konnte, ob sie einmal rein dekorativen Charakter gehabt hatten oder etwas darstellen sollten. Alle Stücke waren penibel gereinigt und poliert.
„Sie dürfen sie ruhig in die Hand nehmen, wenn Sie möchten.“
Die Frauenstimme ließ Maggie zusammenzucken, aber statt herumzufahren, schaute sie nur über die Schulter. Die Frau trug Khakihosen und ein weißes T-Shirt mit dem in schrillem Pink und Aquamarin aufgedruckten Schriftzug „Pensacola Seafood Festival“ auf der Brust.
„Das hier sieht aus wie ein Stilett aus dem Europa des 16. oder 17. Jahrhunderts“, bemerkte Maggie und wies auf eine etwa zwanzig Zentimeter lange Klinge mit abwärts gekrümmtem Heft. Vor ein paar Jahren hatte sie bei einer Razzia, bei der sie den Keller eines Serienmörders gestürmt hatten, eine ganze Sammlung von Stiletten aus unterschiedlichen Epochen sichergestellt. Diese Geschichtsstunde hatte Maggie nie vergessen.
„Nicht schlecht.“ Die Frau belohnte sie mit einem strahlenden Lächeln. Jetzt, da sie näher gekommen war, sah Maggie die weichen Fältchen an den Mundwinkeln, die verrieten, dass sie ein bisschen älter war, als man auf den ersten Blick hätte meinen wollen. Sie war etwa in Maggies Alter, Anfang bis Mitte dreißig.
Sie nahm einen Dolch und reichte ihn Maggie. „Der hier ist ein ganzes Stück älter. Wahrscheinlich gehörte er einem Ritter aus dem 14. Jahrhundert. Ein Parierdolch für den Nahkampf.“
„Nahkampf?“
„Damit schlitze man seinem Gegner die Kehle auf.“
„Ach so.“ Maggie versuchte, das kostbare Stück mit der gebotenen Ehrfurcht zu halten.
„Ich bin Schwester Kate Rosetti.“
„Maggie O’Dell.“
„Gehören Sie zu den Kripobeamten, die gerade Vater Tony vernehmen?“
„FBI.“ Sie sah der Schwester in die Augen, um zu sehen, ob dieser Hinweis etwas auslöste. Würde Schwester Kate sich ähnlich wie Vater Tony verhalten? Würde sie versuchen, die Agentin möglichst schnell abzuwimmeln?
Die Nonne nahm einen anderen Dolch auf. „Dieser zählt zu meinen Lieblingsstücken“, erklärte sie, wobei sie ihn so drehte, dass Maggie die kunstvolle, totenkopfähnliche Verzierung ganz oben am Knauf erkennen konnte. „Eine geflügelte Schlange, die sich um den Griff windet. Auf der Klinge sind keltische Symbole eingraviert.“
„Tatsächlich, ein schönes Stück. Was hat Sie dazu bewogen, mittelalterliche ... Waffen zu sammeln?“ Maggie ließ den Blick über die Regale und Vitrinen schweifen.
„Interessante Frage“, befand Schwester Kate. „Wissen Sie, die meisten Leute fragen mich nämlich zuerst, woher ich die kriege und wie ich mir eine solche Sammlung leisten kann. Für die sind
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