Die Rückkehr Des Bösen
Wald vor lauter Bäumen nicht?
Ihr Blick fiel auf zwei Jungen. Der eine setzte gerade seine Baseballcap ab und warf sie auf den Schultisch. Sein blonder Wuschelschopf reichte ihm bis über die Ohren. Beide, er und sein Mitschüler, waren von eher zierlichem Wuchs, aber so groß wie Maggie, vielleicht sogar einen Tick größer.
Laut Bericht der Gerichtsmedizinerin hatte es keiner besonderen Kraftanstrengung bedurft, dem Monsignore ein Messer in die Brust zu jagen. Diese Jungs hier hätten damit jedenfalls sicher kein Problem.
56. KAPITEL
Washington, D. C.
Gwen fuhr sich mit den Fingern durch die Frisur, wobei sie dem Drang widerstehen musste, sich die Haare zu raufen.
„Und Sie haben sich tatsächlich auf dieses Spiel eingelassen?“ schnaubte Detective Racine fassungslos.
„Es war kein Spiel!“ Gwen, bemühte sich, die Fassung zu wahren. Ihr war auf einmal, als müsse ihr Magen jeden Moment rebellieren. Zwei Tage lang nichts gegessen, aber jede Menge Kaffee! Vielleicht war ihr deshalb jetzt so kodderig.
„Er jedenfalls hat das so aufgefasst!“ schoss die Ermittlerin zurück. „Glauben Sie mir, für diesen Irren ist das ein Spiel, egal, was Sie darüber denken!“
Sie stapfte vor dem Sofa, auf dem Gwen Platz genommen hatte, auf und ab. Wie oft hatte Rubin Nash hier gesessen, genau an dieser Stelle, und geprahlt, er werde sich „noch ‘ne niedliche kleine Zimmergenossin besorgen“. Gwen hatte das für reines Imponiergehabe gehalten, mit dem er meinte, seine Männlichkeit unter Beweis stellen zu müssen. In Filmen ging es immer um das sexuelle Reifen, darum dass ein Junge zum Mann wurde, wenn eine ältere Frau einen Heranwachsenden verführte. Wenn aber die Frau ihn vorsätzlich zum Schwächling degradierte, so wie das bei Nash der Fall gewesen war, dann war der Schaden eventuell nicht wieder gutzumachen. Hättest du, fragte sich Gwen, die Anzeichen für sein gewalttätiges Verhalten bemerken müssen? Hätte sie schon vor Monaten erkennen müssen, dass er möglicherweise zu töten imstande war?
Racine blieb stehen und musterte noch einmal all die Dinge, die Gwen erhalten hatte – die Zettel, die Karte, die Ohrringe. Sie hatte das ganze Zeug auf dem Schreibtisch ausgebreitet, jedes einzeln für sich in einem Plastikbeutel. Alles außer dem letzten Umschlag und dem Wasserglas, die Gwens fehlgeschlagenen Versuch dokumentierten, Nash anhand seiner Fingerabdrücke zu überführen.
„Nichts von alledem hier beweist, dass Ihr Klient der Täter ist“, unterstrichRacine. „Vielleicht haben wir Glück und können auf irgendeinem der Gegenstände, die er Ihnen geschickt hat, einen Fingerabdruck ziehen. Ich schätze aber, so blöd wird er nicht gewesen sein.“ Sie wandte sich um und sah Gwen an. „Wann sehen Sie ihn wieder?“
„Wir haben seine Sitzungen erst kürzlich auf Samstagmorgen verlegt. Aus Rücksicht auf seine Reisetermine.“
„Er ist viel unterwegs?“
„Ja, er verkauft Computersoftware. Und ich meine, er hat mal erwähnt, sein Bezirk reiche bis rauf nach Boston, und im Süden bis ins nördliche Florida.“
„Per Auto oder Flieger?“
„Bitte?“
„Wenn er auf Dienstreise ist!“ Racine zog die Worte betont in die Länge, als habe sie ein Kind vor sich. „Fährt er, oder fliegt er?“
„Was weiß ich!“ Die Stirn angestrengt in Falten gelegt, versuchte Gwen sich zu erinnern, ob er davon gesprochen hatte. „Wieso ist das wichtig?“ fragte sie dann.
„Wir haben die Rümpfe noch immer nicht gefunden“, sagte Racine, als müsse Gwen den Rest eigentlich von allein verstehen. Angesichts der Verwirrung auf deren Gesicht fuhr sie jedoch fort. „Wenn er mit dem Auto fährt, könnte das eventuell erklären, ob und wie er die Torsi irgendwo verschwinden lässt.“
„Der Rest von Denas Leiche ... haben Sie den auch noch nicht gefunden?“ Sie hatte das Gefühl, als würden die Züge der Polizistin weicher, als ob der Hinweis auf Gwens Leidensweg vorübergehend so etwas wie Mitgefühl in ihr ausgelöst und die professionelle Distanz weggewischt hätte.
„Nein. Bisher haben wir nur den Kopf.“
Gwen massierte sich das Gesicht und rieb sich mit den Handballen über die Augen, als hoffe sie, sie könne so das Bild loswerden. Aber sie wusste, dass ihr das niemals gelingen würde.
„Die Zettel, die Anweisungen ...“ Die Polizistin ließ nicht locker. „Wurden die alle hierher in die Praxis geliefert?“
„Ja. Entweder nach Feierabend durch den Briefschlitz, oder sie wurden unten
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