Die Rückkehr Des Bösen
abzuschätzen, ob sie einen wunden Punkt getroffen hatte. „Dass Sie Dena in deren Wohnung fanden, unterscheidet diesen Mord von den anderen. Irgendwie passt das nicht ins Bild.“
Gwen setzte sich auf eine Ecke ihres Schreibtischs. „Dena war auch nicht wie die anderen“, sagte sie in nüchternem Ton.
„Richtig“, bestätigte Racine. „Denn anders als bei den anderen konnte er Dena in der Wohnung liegen lassen, weil er wusste, dass jemand dort nach ihr suchen würde. Bei den anderen drei Opfern musste er etwas dafür tun, dass sie gefunden wurden. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich darauf kam, dass der Unterschied zwischen Dena und den anderen Fällen gar nicht so groß ist, wie ich anfangs dachte.“
Gwen kreuzte die Arme über der Brust und hielt dem Blick der jungen Beamtin Stand, ohne eine Miene zu verziehen. „Beim ersten Opfer erfuhren wir den Fundort von einem Bauarbeiter. Als ich den heute Morgen noch mal anrief und wissen wollte, wie er den Kopf denn entdeckt hätte, da sagte er, er habe ihn gar nicht selbst gefunden. Eine Frau habe ihm den Hinweis gegeben. Auch das zweite Opfer wurde von einer weiblichen Person gefunden. Sie ging mit ihrem Hund im Park spazieren.“ Racine senkte den Blick zu Harvey hinunter. „Allerdings weigerte sie sich, für eine Aussage ins Präsidium zu kommen. Letzte Woche fanden wir dann Libby Hopper am Ufer des Potomac – nachdem eine Frau uns telefonisch die exakte Stelle genannt hatte. Der Anruf kam übrigens von einem gestohlenen Handy. Dena Waynes Kopf lag in ihrer eigenen Wohnung. Das erschien mir zunächst sonderbar, bis mir auffiel, dass es wieder eine Frau war ... eine Frau mit einem Hund, die die Tote gefunden hat.“
Racine sah Gwen an und wusste in diesem Augenblick, dass sie ihre Theorie nicht noch weiter untermauern musste.
„Offenbar meinen Sie, dass Sie den Fall schon halb gelöst haben“, sagte Gwen schließlich, ohne dass es nach einem Schuldeingeständnis klang. „Jammerschade, dass nichts so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheint.“
„Nein, normalerweise nicht.“
„Seine Anweisungen wurden von Drohungen begleitet.“ Gwens Stimme war so leise, dass sie ihr selbst fremd vorkam.
„So etwas in der Art habe ich mir gedacht. Sie hatten Angst, er könne Ihnen etwas antun.“
„Nein. Nicht mir, sondern jemand anderem. Jemandem, der mir nahe steht. Hätte er mich gemeint, wäre alles einfacher gewesen.“ Gwen war schon einmal bedroht worden. Ihrer Ansicht nach gehörte so etwas zum Berufsrisiko. „Ich habe geglaubt, ich könne ihn überlisten“, fügte sie hinzu.
„Aber zunächst einmal hat er Sie zu seiner Komplizin gemacht.“
„Sieht ganz so aus“, gab Gwen zu. „Aber damit ist jetzt Schluss.“
55. KAPITEL
Omaha, Nebraska
Maggie entschuldigte sich mit dem Hinweis auf einige dringende Telefonate und verließ Vater Gallaghers Büro. Ganz oben auf ihrer Liste stand Cunningham. Außerdem wollte sie unbedingt erfahren, wie es Gwen ging. Im Übrigen lag ihr daran, dem Hahnenkampf zwischen Pakula und Nick vorübergehend zu entkommen. Auch die ständigen Ausweichmanöver des Paters reichten ihr allmählich. Unter den gegebenen Umständen würde die Befragung nur wenig an neuen Hinweisen ergeben. Warum begriff der Priester bloß nicht, dass er die ganze Veranstaltung nur in die Länge zog, wenn er Pakulas Fragen jedes Mal mit einer Gegenfrage beantwortete?
Dass Vater Gallagher etwas verheimlichte, lag zwar auf der Hand, doch dass er der Mörder sein sollte, das wagte sie dann doch zu bezweifeln. Außerdem hatte er für den betreffenden Samstagabend ein wasserdichtes Alibi. Die ganze Gemeinde von „Our Lady of Sorrow“ konnte für ihn bürgen. Um neunzehn Uhr in Omaha die Vorabendmesse zu lesen und anschließend kurz nach Columbia zu rasen, um seinem Amtsbruder Gerald Kincaid um punkt halb zehn ein Messer in die Brust zu jagen, nein, das war schlicht und einfach ein Ding der Unmöglichkeit.
Die Tatsache allerdings, dass er ein Geistlicher war, entlastete ihn ihrer Meinung nach nicht von vornherein. Es war durchaus möglich, dass der Mörder aus der Überzeugung heraus handelte, sein Tun diene einem höheren Zweck. Falls sich bestätigen sollte, dass jedes der drei Opfer tatsächlich im Verdacht gestanden hatte, Jungen missbraucht oder, wie in Kellers Fall, sogar ermordet zu haben, dann handelte der Täter womöglich in dem Glauben, er erweise der Gesellschaft einen Dienst, indem er jene, welche zuvor straflos
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