Die Rueckkehr des Daemons
verlieren?
Dann fiel ihm sein Albtraum wieder ein. Er sah sich um. Auf dem Platz neben seinem Bett stand ein nagelneuer Tisch. Ein hässliches Ding aus Kirschholz. Unzerkratzt.
»Wo ist mein Nachttisch?«, brüllte er.
Seine Mutter hockte auf dem Ledersofa im Wohnzimmer und telefonierte. Entrüstet sah sie ihn an.
»Kann ich dich gleich zurückrufen, Patricia-Darling?«, säuselte sie in den Hörer. »Mein Herr Sohn möchte sich höflich mit mir unterhalten!« Sie drückte das Gespräch weg und saugte an ihrer Zigarette. »Willst du mir etwas sagen, Sidney?«, fragte sie mit unverhohlener Empörung. Ihre geschminkten Lippen spitzten sich gereizt.
Sid ging nicht auf das Spielchen ein. »Wo mein Nachttisch ist, will ich wissen!«
»Wenn du mich wie ein normaler Mensch fragen würdest, könnte ich dir sagen, was mit ihm passiert ist!«, antwortete sie schnippisch.
»Ich habe aber gerade keine Lust, freundlich zu sein!«, explodierte Sid. »Wo ist mein Tisch?«
Mit gespielter Gelassenheit drückte Caroline ihre Zigarette aus. »Er steht neben deinem Bett, wo sonst?«
Es fehlte nicht viel, und er würde ihr den Hals umdrehen! »Den meine ich nicht. Wo ist der Tisch, der dort stand, als ich das Haus verlassen habe?«
Seine Mutter lächelte gütig, als müsste sie ihre nächsten Worte vorsichtig auf ihre Wirkung hin abwägen. Ihr Gegenüber sollte sich ja nicht weiter aufregen.
Wie man zu einem Kleinkind spricht, durchzuckte es Sid. Oder zu einem Irren.
»Ach so. Ich habe ihn abholen lassen, Sidney«, sagte sie schließlich.
Sid war wie vor den Kopf gestoßen. »Du hast was ?«
Das goldene Feuerzeug flammte auf. Caroline Martins pustete eine weitere Rauchwolke zur Decke. »Sidney! Das Ding war sowieso schon uralt, und jetzt mit diesen Kratzern…«
»Das war mein Tisch!«, sagte Sid aufgebracht. »Mein Eigentum! Und ich möchte selbst entscheiden, wann etwas auf den Müll kommt!« Er fühlte sich ohnmächtig. Seine Mutter, sein Vater bestimmten über sein Leben. War seine Meinung denn gar nichts wert?
Wütend stürmte er in sein Zimmer zurück und schlug die Tür hinter sich zu. Scheppernd fiel der Siegerpokal vom Baseball-Turnier vom Regal. Sid kickte ihn zur Seite. Fahrig durchwühlte er sein Bücherregal, bis er das Batman-Heft fand, Schatten über Gothams Vergangenheit . Zwischen den Seiten lag das Blatt, genau da, wo er es heute Morgen hingesteckt hatte. Als hätte er etwas geahnt, hatte er die Zeichen auf Papier übertragen.
Sid legte das Blatt auf den Scanner. Er zwang sich, ruhig zu bleiben. Trotzdem vertippte er sich ständig. Endlich erschienen die Symbole doch auf dem Bildschirm. Sid atmete tief durch. Würde er herausfinden, was sie bedeuteten?
Er probierte vier verschiedene Suchmaschinen aus. Endlich fand er ein Programm, mit dem man auch nichtarabische Schriftzeichen im Internet aufspüren konnte. Der Rechner surrte. Wie sein Kopf. Der Bildschirm wurde schwarz, kurz danach flackerte er wieder auf.
Altägyptische Hieroglyphen , stand da als Erklärung. Den ersten Teil der Zeichen erkannte die Maschine. Als Sid das Ergebnis las, begann sich sein Zimmer um ihn herum zu drehen. Ihm wurde übel.
Auf dem Bildschirm stand:
Seth. Altägyptischer Gott des Chaos und Verderbens.
32. Kapitel
Seth, du Hund, mit der großen Kraft.
Dein Name, oh Großer,
klingt wie rieselnder Sand in der Wüste.
Wie das Palmenrauschen in Fayyum.
Deiner Oase.
Suta, Sutekh, Nubti, Setesch, Setek, Suty.
Viele Namen hat man dir gegeben.
Deine Stimme lässt den Himmel erzittern.
Dein Zepter tötet jeden Gott mit Leichtigkeit.
Seth, du bist groß, aber die Menschen sind schlecht. Sie haben dich im Stich gelassen und mich, deinen treusten Diener.
Ja, ich erinnere mich.
Jahre lebte ich bei den Hunden. Als Gleicher unter Gleichen. Wir jagten und wir fraßen und wir heulten. Bis mein Haar grau wurde. Dann kehrte ich zu meinem Stamm zurück. Durch den Wald und durch die Steppe und durch die endlose Savanne.
Die Menschen fürchteten mich und gehorchten meinem Willen und euren Zähnen. Sie machten mich zum Anführer und ich tat ihnen gut.
33. Kapitel
NYC , Brooklyn, 9. Oktober 2007,
später Nachmittag
Diesmal war es für Sid kein Problem gewesen abzuhauen. Langsam kam er in Übung. Seine Mutter war mit ihrer Freundin Patricia beim Coiffeur, sein Vater sowieso im Büro, Dolores hatte er eine handfeste Lüge aufgetischt und war zur U-Bahn gehetzt.
An der Station Eastern Parkway stieg er aus. Das Brooklyn Museum of Art,
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