Die Rueckkehr des Daemons
wusste Sid, war den meisten Menschen völlig unbekannt. Touristen und Einheimische pilgerten lieber in Scharen zum noch größeren Metropolitan im Central Park. Sicher, für Kunstliebhaber war das Brooklyn nicht die erste Adresse, aber Sid war heute nicht hier, um eine der Wanderausstellungen zu sehen. Das Gebäude bot noch viel mehr.
Mit drückenden Magenschmerzen schlenderte Sid über den Weg zwischen zwei Rasenflächen auf die riesige Gebäudefront zu. Die Fontänen des Springbrunnens mochten sich noch so anstrengen, nichts konnte ihn erheitern. Die sechs Säulen vor dem Eingang gaben dem Museum das Aussehen eines römischen Palastes, auch wenn vor wenigen Jahren ein moderner Pavillon aus Stahl und Glas vor den Kasten gesetzt worden war. Vor ein paar Monaten hatten sie einen Klassenausflug hierher unternommen, um eine Ausstellung über Graffiti zu besuchen. Die Arbeiten von Crash, Bear 167 und Lady Pink mochte Sid besonders gerne, noch mehr hatte ihm imponiert, dass die Künstler als gejagte Gesetzesbrecher angefangen hatten und heute von denselben Leuten angebetet wurden, die sie früher als Schmierfinken und Vandalen bezeichnet hatten. Bei dem Besuch hatte er viel mit Nigel und Steve herumgealbert, es war ein außergewöhnlich amüsanter Tag gewesen. Jetzt war er allein und fühlte sich winzig.
Sid blickte an den Säulen empor. In einer solchen Halle ist Julius Caesar erstochen worden, schoss es ihm durch den Kopf. Hinterrücks. Hektisch sah er sich um. Er war allein. Wer sollte ihn schon verfolgen? Die Worte aus dem Internet hallten ihm durch den Kopf. Seth. Altägyptischer Gott des Chaos und Verderbens. Seine Hände zitterten. Schnell warf er sich eine Tablette in den Mund und ging auf den Eingang zu.
Das Portal des Museums wurde von zwei gigantischen Frauenstatuen flankiert. Traurig, wie es nur Figuren aus Stein können, blickten sie zu ihm herab. Von der Fahnenstange hing das Sternenbanner schlaff herunter. Ein Gärtner auf einem Rasenmäher knatterte über den Vorplatz, der Geruch von frisch gemähtem Gras und Benzin stieg Sid in die Nase.
In der gläsernen Eingangshalle war nur wenig Betrieb. Als er an der Kasse vier Dollar herauskramte, um den Eintritt zu bezahlen, erklärte ihm eine freundliche Angestellte mit Brille warum: Das Museum schloss um 1 7 Uhr, das war in einer halben Stunde! Sid starrte auf einen Wegweiser, jetzt durfte er keine Zeit vertrödeln. Erdgeschoss: südamerikanische und afrikanische Kunst. Erster Stock: asiatische Kunst. Zweiter Stock, da war es! Ägyptische Abteilung!
Durch die Lobby mit einem Trinkwasserspender rannte er zum Treppenhaus. Ein altes Pärchen rümpfte die Nase. Niemand in New York ging Treppen. Die ganze Stadt war ein einziger Aufzug, aber in der staubigen Atmosphäre von Museen wirkten diese modernen Geräte wie Fremdkörper.
Über die schmalen dunklen Stufen lief Sid nach oben. Im zweiten Stock angekommen, zog er das Blatt mit den Zeichen von seinem Nachttisch aus der Tasche und sah sich nach einem Museumsangestellten um. Vergeblich – wenn man mal einen brauchte, war keiner in der Nähe!
Eilig hastete Sid an den ersten Vitrinen vorbei. Die ganze Halle erstrahlte in einem gelblichen Licht und war mit ägyptischen Exponaten geradezu vollgestopft. Auf breiten Tischen lagen unter Glas Tonfiguren und Amulette, Alltagsgegenstände und Schmuck. Obelisken und ganze Säulen ragten bis unter die Decke. Vor einem Schaukasten mit altertümlichen medizinischen Instrumenten lauschte eine Schulklasse den Erklärungen ihres Lehrers.
»Die ägyptischen Ärzte waren bereits in der Lage, komplizierte Operationen an ihren Patienten vorzunehmen«, erklärte der Mann. »Untersuchungen an Mumien haben eindeutig bewiesen, dass für Eingriffe am Gehirn sogar die Schädeldecke geöffnet wurde. So wollten sie die Dämonen befreien, die den Menschen schlimme Schmerzen und Albträume verursachten. Und das Wichtigste: Die Kranken haben nach der Operation noch ein Weilchen weitergelebt!« Die Schüler lachten. Durch ihre Rucksäcke hindurch erspähte Sid einen Totenschädel mit einem kreisrunden Loch in der Schläfe. Das lückenhafte Gebiss grinste ihn gespenstisch an. Sid lief es kalt den Rücken hinunter. Schnell wandte er den Blick ab und drängelte sich an den Kindern vorbei. Endlich stieß er auf einen Wärter, am angesteckten Namensschild war er eindeutig als Mitarbeiter des Museums auszumachen. Grußlos hielt ihm Sid seinen Zettel unter die Nase.
»Können Sie mir sagen, was
Weitere Kostenlose Bücher