Die Rueckkehr des Daemons
mag Material Girl sehr«, stammelte Rascal, als die Kabine die Hälfte der Strecke absolviert hatte. Die Frau grinste. »Ist schon eine Weile her«, antwortete sie knapp. Sid beobachtete aus dem Augenwinkel, wie sie Rascal und Jurgen von oben bis unten musterte. Zwei Stockwerke unter Sids Apartment hielt der Aufzug.
»Cooler Look«, kommentierte die blonde Frau, bevor die Tür mit einem Knattern wieder zuging. Der kleine Mann lachte.
»Werwarndiescharfeschnalle?«, lallte Jurgen.
»Madonna«, antwortete Sid unbeeindruckt. »Eigentlich wollte sie hier auch ein Apartment kaufen, aber mein Vater hat die anderen Eigentümer gegen sie aufgewiegelt. Jetzt besucht sie öfter mal Paul Simon, wenn sie in der Stadt ist.«
Rascal staunte. »Das war Paul Simon? Von Simon & Garfunkel?«
Sid nickte.
»Hey, Paul!«, brüllte Jurgen, obwohl der Fahrstuhl längst weitergefahren war. »Ich liiiebe Bridge over troubled water ! Solln wir das nich mal susammen spielen? Als Punkversion?«
Ein Rucken zeigte an, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Sid holte tief Luft. Eigentlich sollten seine Eltern ausgeflogen sein.
73. Kapitel
New York, 25. Juni 1906, nachts
Stanford White hastete durch die weitverzweigten Gänge des Madison Square Garden. Musik, Lachen und Applaus verfolgten ihn sowie klappernde Schritte, die rasch näher kamen. Sechzehn Jahre war es nun her, dass er mit seinen Kompagnons Charles McKim und William Mead den eleganten Spielplatz für die New Yorker Oberschicht für die unglaubliche Summe von drei Millionen Dollar entworfen hatte. Ein Palast der Sinne und der Sünde, einen ganzen Häuserblock groß, für Pferderennen und Opernaufführungen, Theater und rauschende Feste, die den Einwohnern der Umgebung die Schamesröte ins Gesicht trieben. Mitten in der Stadt, auf den Ruinen des American Museums von Phineas Taylor Barnum. Nur hinter vorgehaltener Hand hatten sich die oberen Zehntausend gefragt, wie er ohne Architekturstudium solche gigantischen Bauvorhaben verwirklichen konnte.
Um eine Legende New Yorks zu werden, wie »The Boss« William M. Tweed, der korrupteste Politiker Amerikas, oder der Investmentbanker John Pierpont Morgan, der das Land vor dem Ruin rettete, dafür reichten ein paar Spekulationen nicht aus. Zu leicht fiel den Fragern die mögliche Antwort. Die Korruption war ein Teil dieser Stadt, wie die kniehohen Müllberge auf der 5th Avenue und die täglichen Gewaltverbrechen im Viertel Mulberry Bend, von Polizisten nur bandits’ roost , Platz der Banditen, genannt.
Stanford White bemühte sich, nicht in Panik zu verfallen. Er musste die Geheimtür erreichen!
Über ein paar Umwege war die Firma McKim, Mead & White innerhalb von wenigen Jahren zu einem der wichtigsten Architekturbüros des Landes geworden. Für die oberen Zehntausend bauten sie prachtvolle Landhäuser und Stadtvillen, die New Yorker Bürgermeister gaben die Planung der Columbia University, die Pennsylvania Station und den Washington Square Arch bei ihnen in Auftrag. Einer dieser Umwege war eine Person, die stets nur über Telegramme mit ihm kommunizierte und sich Sajjid Tanaffus nannte. Die Gegenleistung war denkbar einfach: Während der Bauarbeiten des Garden sollte das bestehende Gangsystem unter dem Madison Square ausgebaut werden und zu einer riesigen unterirdischen Höhle führen. Arbeiter wurden gestellt.
Ein paar Jahre lang war er eifrig zu den Versammlungen gekommen, hatte unter den Kapuzen und Masken hochrangige New Yorker zu erkennen geglaubt und später Aufträge von ihnen an Land gezogen. Er hatte sich in ihrem Schatten gesonnt und ihnen das Geld mit der Redegewandtheit eines Schriftstellersohns aus der Tasche geschmeichelt, doch mit zunehmendem Wohlstand schmeckte das Eselsblut schal. Champagner, Roastbeef und von ihren Ehemännern vernachlässigte Damen waren wieder an die Stelle des ägyptischen Hundekopfes gerückt.
»etwas mehr dankbarkeit« , hatte Tanaffus einmal gekabelt. Und: »noch ein fehler!« , das war vergangene Woche gewesen. Scheinbar hatte ihn der Champagner zu übermütig werden lassen. Passenderweise mitten in der Aufführung von Mam’selle Champagne auf dem Dachgarten seines Prachtbaus erkannte er im Publikum die Person, deren wahre Identität er erst vor der letzten Sitzung aufgedeckt hatte: Sajjid Tanaffus.
Stanford White stand am Scheideweg. Die Bestrafungsmethoden des Rüden waren ihm bekannt. Ein paarmal hatte er mit dem wohligen Schaudern eines Neugierigen fasziniert daran teilgenommen wie an
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