Die Rückkehr des Drachen
Er wird die Neun Monde fesseln, so daß sie ihm dienen? Und doch haben diese Prophezeiungen im Zyklus das gleiche Gewicht wie Callandor. Es gibt noch mehr. Welche ›Wunden des Wahnsinns und Enttäuschungen aller Hoffnung‹ hat er geheilt? Welche Ketten hat er zerbrochen, und wen hat er in Ketten gelegt? Und manches ist so verworren, daß er es durchaus bereits erfüllt haben kann, auch wenn ich das nicht weiß. Aber, nein. Callandor ist ganz und gar nicht das Ende.«
Perrin zuckte nervös die Achseln. Er kannte nur kleinere Bruchstücke der Prophezeiungen. Er hatte sie noch weniger hören wollen, nachdem Moiraine Rand dieses Banner in die Hand gedrückt hatte. Nein, sogar schon zuvor. Seit eine Reise mit Hilfe des Portalsteins ihn davon überzeugt hatte, daß sein Leben an das Rands gebunden sei.
Moiraine fuhr fort: »Wenn Ihr glaubt, Loial, Sohn des Arent, Sohn des Halan, daß er nur einfach die Hand danach ausstrecken muß, dann seid Ihr ein ebenso großer Narr wie er, falls er das glaubt. Auch wenn er die Reise nach Tear überlebt, kann es sein, daß er den Stein niemals gewinnt.
Die Tairen lieben die Eine Macht nicht gerade und noch weniger jeden Mann, der behauptet, der Drache zu sein. Das Benützen der Macht ist bei Strafe verboten, und Aes Sedai werden allerhöchstens geduldet, solange sie die Macht nicht gebrauchen. Die Prophezeiungen des Drachen nachzuerzählen oder sogar ein Exemplar davon zu besitzen genügt in Tear, um ins Gefängnis zu kommen. Und niemand betritt den Stein von Tear ohne Erlaubnis der Hochlords. Keiner außer den Hochlords wiederum betritt das Herz des Steins. Darauf ist er noch nicht vorbereitet. Noch nicht.«
Perrin knurrte leise. Der Stein würde nicht fallen, bis der Wiedergeborene Drache Callandor in Händen hielt. Wie beim Licht kann er es erreichen - mitten in einer blutigen Festung? Und bevor die Festung gefallen ist? Das ist doch verrückt!
»Warum sitzen wir hier nur herum?« platzte Min heraus. »Wenn Rand nach Tear geht, warum folgen wir ihm dann nicht? Er könnte getötet werden, oder... oder... Warum sitzen wir hier herum?«
Moiraine legte eine Hand auf Mins Kopf. »Weil ich sichergehen muß«, sagte sie sanft. »Es ist nichts Einfaches, vom Rad dazu ausgewählt zu werden, ein großer oder nahezu großer Mensch zu sein. Die Auserwählten des Rads können nur auf sich nehmen, was auf sie zukommt.«
»Ich habe es satt, auf mich zu nehmen, was auf mich zukommt.« Min rieb sich die Augen. Perrin glaubte, darin Tränen zu erkennen. »Rand könnte sterben, während wir warten.« Moiraine streichelte Min über das Haar. Auf dem Gesicht der Aes Sedai war beinahe so etwas wie Mitgefühl zu erkennen.
Perrin setzte sich ans Ende von Lans Bett Loial gegenüber. Im Raum lag ein starker Geruch nach Menschen - Menschen und Sorgen und Angst. Loial roch nach Büchern und Bäumen und Kummer. Es war wie eine Falle: Wände um sie herum und alle so nahe. Die brennenden Holzspäne stanken. »Wie kann mein Traum uns sagen, wohin Rand geht?« fragte er. »Es war doch mein Traum.«
»Diejenigen, die mit der Einen Macht umgehen«, sagte Moiraine leise, »und die besonders stark sind, können manchmal ihre Träume anderen aufzwingen.« Sie hörte nicht auf, Min zu streicheln. »Besonders denjenigen, die... empfänglich dafür sind. Ich glaube nicht, daß Rand dies mit Absicht getan hat, aber die Träume der Menschen, die die Wahre Quelle berühren, können mächtig sein. Einer von seiner Stärke könnte möglicherweise ein ganzes Dorf beeinflussen oder sogar eine Stadt. Er weiß wenig von dem, was er tut, und noch weniger darüber, wie er es kontrollieren kann.«
»Warum habt Ihr den Traum dann nicht auch gehabt?« fragte er. »Oder Lan?« Uno blickte stur geradeaus, als wolle er lieber woanders sein, und Loials Ohren welkten. Perrin war zu müde und zu hungrig, um darauf zu achten, ob er einer Aes Sedai den nötigen Respekt entgegenbrachte. Und auch zu zornig; das wurde ihm klar. »Warum?«
Moiraine antwortete gelassen: »Aes Sedai lernen, ihre Träume abzuschirmen. Ich mache das längst unbewußt, wenn ich schlafe. Den Behütern gibt man etwas ganz Ähnliches mit, wenn sie ihren Eid leisten. Die Gaidin könnten nicht tun, was sie müssen, wenn sich der Schatten in ihre Träume einschleichen würde. Wir sind alle verwundbar im Schlaf, und der Schatten ist in der Nacht besonders stark.«
»Von Euch erfahren wir immer etwas Neues«, grollte Perrin. »Könnt Ihr uns nicht gelegentlich
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