Die Rückkehr des Dunkelelf 2 - Kampf der Kreaturen
begann, sich weiter anzuziehen. »Ich bin genauso durcheinander wie du«, gab sie zu.
Sie lachte leise, als sie darüber nachdachte – warum sollte sie Tos'un nicht die Wahrheit sagen? Immerhin war er der einzige Drow, den sie in nächster Zeit sehen würde.
»Es überrascht mich nicht, dass Ad'non und Donnia sich davongemacht haben«, stellte Tos'un fest.
»Mich auch nicht«, erwiderte Kaer'lic. »Aber dass ich so durcheinander bin, hat nichts mit ihnen zu tun.«
»Womit dann? Mit Obould?«
»Er ist sicher Teil davon«, sagte die Priesterin. »So wie jede Einmischung seines tierischen Gotts.«
»Es war eine beeindruckende Zeremonie.«
Kaer'lic fuhr zu ihm herum, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass sie bis zur Taille nackt war.
»Ich fürchte, dass ich Lolth erzürnt habe«, gestand sie.
Tos'un schien das zunächst nicht zu begreifen, und er setzte zu einer Erwiderung an. Aber als sie ihn weiterhin anstarrte, verstand er und erschrak. Er sah sich um, als erwartete er, dass auf der Stelle ein Geschöpf des Abgrunds aus den Schatten springen und sie verschlingen würde.
»Wie meinst du das?«, fragte er unsicher.
»Ich weiß es nicht genau«, erwiderte Kaer'lic. »Ich weiß nicht einmal, ob meine Vermutung richtig ist.«
»Glaubst du, die Einmischung von Gruumsh Einauge war –«
»Nein, es war schon vor dieser Zeremonie«, gab Kaer'lic zu.
»Was also dann?«
»Ich fürchte, es hängt mit dem Rat zusammen, den du uns gegeben hast«, erwiderte Kaer'lic aufrichtig.
»Es liegt an mir?«, rief er erschrocken. »Was habe ich getan, das die Spinnenkönigin beeinflussen könnte? Ich habe nichts –«
»Du hast behauptet, es wäre besser, Drizzt Do'Urden aus dem Weg zu gehen, oder?«
Tos'un wich einen Schritt zurück und sah sich um wie ein in die Falle geratenes Tier.
»Ich fürchte, ich sitze im Netz meiner eigenen Vermutungen fest«, sagte Kaer'lic. »Vielleicht hat mich mein eigenes Widerstreben dagegen, mich dem Verräter zu stellen, Lolths Gunst gekostet, aber tatsächlich fürchte ich, dass es die Spinnenkönigin noch mehr erzürnen würde, wenn ich mich gegen Drizzt Do'Urden wenden und ihn töten würde.«
Tos'un sah aus, als könnte schon der leiseste Windhauch ihn umwerfen.
»Sie offenbart sich dir nicht mehr?«
»Ich habe Angst, es auch nur zu versuchen«, gab die Priesterin zu. »Es ist durchaus möglich, dass meine eigene Angst gegen mich arbeitet.«
»Deine Angst vor Drizzt?«, fragte er kopfschüttelnd und verstand offensichtlich gar nichts mehr.
»Ich bin schon vor langer Zeit bezüglich des Abtrünnigen aus dem Haus Do'Urden zu einem Schluss gekommen«, erklärte Kaer'lic. »Noch vor Oberin Baenres Marsch auf Mithril-Halle. Drizzts Name war uns nicht unbekannt, noch bevor du dich unserer kleinen Gruppe angeschlossen hast. Ich fürchte, viele unserer Priesterinnen sind, was ihn angeht, zu vollkommen falschen Schlüssen gelangt. Sie halten ihn für einen Feind der Spinnenkönigin.«
»Selbstverständlich«, sagte Tos'un. »Wie könnte er etwas anderes sein?«
»Aber er fördert das Chaos!«, warf Kaer'lic ein. »Auf seine eigene wunderbare Art hat Drizzt Do'Urden mehr Chaos in deine Heimatstadt gebracht als irgendwer vor ihm. Entspricht das nicht dem Willen von Lolth?«
Tos'un riss die Augen so weit auf, dass es schien, als würden sie gleich aus den Höhlen fallen.
»Du glaubst, dass Drizzt Do'Urden von Lolth inspiriert wurde?«, fragte er.
»Ja«, sagte Kaer'lic, und dann wandte sie sich ab. »Kluge Kaer'lic! Die Ironie in diesem Abtrünnigen zu sehen! Die Schönheit von Lolths Plan!«
»Es ergibt durchaus einen Sinn«, gab der Drow zu.
»Und ob ich nun Recht habe oder nicht, ich sitze in der Falle meiner eigenen Schlauheit«, sagte Kaer'lic.
Tos'un starrte sie neugierig an.
»Wenn ich Unrecht habe«, erklärte die Priesterin, »dann hätten wir den Abtrünnigen mit aller Kraft bekämpfen müssen, wie es Ad'non und Donnia inzwischen wahrscheinlich tun. Wenn ich Recht habe, dann habe ich einen Plan erkannt, der weit über alles …« Ihre Stimme verklang.
»Wenn du Recht hast, könnte schon die Tatsache, dass du das Rätsel von Drizzt gelöst hast, Lolths Pläne stören«, fuhr er für sie fort. Tos'un begann, den Kopf zu schütteln und zu zittern. »Und jetzt weiß ich es ebenfalls.«
»Du wolltest es wissen.«
»Aber …«, stotterte er. »Aber …«
»Wir wissen nichts wirklich«, erinnerte Kaer'lic ihn und hob abwehrend die Hand, um den bebenden Narren zu beruhigen.
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