Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
sehnte.
Schlaf.
Er wartete darauf. Er sehnte sich danach. Es spielte keine Rolle, woher er kam, wichtig war nur, dass er kam. Er trieb auf Wellen der Schmerzlosigkeit, hoch oben über den Qualen, die immer noch irgendwo da waren. Und die bald zurückkehren würden.
In wenigen Minuten würde es dunkel sein, und Kathryn kämpfte gegen die bekannte Panik an, die jeden Abend in ihr aufstieg und ihren Brustkorb einschnürte. Sie zog ihren Mantel und ihre Handschuhe an und stapfte mühsam Schritt für Schritt durch den frisch gefallenen Schnee, um mehr Feuerholz zu holen.
Da sie die Wärme der Hütte gewohnt war, zuckte sie zusammen, als der kalte Wind beißend auf ihre Wangen traf. Tränen traten ihr in die Augen. Sie holte tief Luft und fühlte, wie die Kälte bis zu ihren Zehen hindurchdrang. Die Februartemperaturen waren gesunken, und das brachte doppelt so viel Neuschnee wie im Januar. Mit schwer beladenen Armen legte Kathryn den Weg zur Hütte fünfmal zurück und drehte sich um, um noch einmal zu gehen.
Ihre Schritte wurden langsamer, als ihr Blick zum Wipfel der schneebedeckten Blautanne hinaufwanderte, die neben ihrer Hütte thronte. Dieser Anblick entlockte ihr fast ein Lächeln. Auf ihre Bitte hin hatte Larson vor zehn Jahren den dürren Setzling hier gepflanzt, kurz nachdem er die Hütte gebaut hatte.
„Ich will, dass der Baum näher bei meinem Küchenfenster wächst, Larson“, hatte sie zu ihm gesagt und die Tanne mit dem Wurzelballen langsam zu der gewünschten Stelle geschleppt.
„Wenn du sie hier pflanzt, wächst sie durch dein Küchenfenster.“ Das Grinsen in seinem attraktiven Gesicht verriet ihr, dass er genau wusste, dass das ein Spiel war. „Diese Tanne wird viel größer werden als die Topfpflanze, die deine Mutter in ihrem eleganten Hausflur stehen hat.“
„Das nennt man ein Foyer “, verbesserte Kathryn ihn verspielt und sprach das Wort französisch aus.
Larson schleppte den Baum wieder zu der Stelle zurück, die er ausgemessen hatte, und wischte sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der Stirn. Mit einer Schaufel zeichnete er einen Kreis, der ungefähr zweimal den Umfang des Wurzelballens hatte, und begann zu graben. Kathryn hatte ihm dabei zugesehen, die gemeinsame Zeit genossen und über die starke Liebe zu ihrem Mann, die ihr Herz erfüllte, gestaunt.
Doch allzu schnell verblasste die Erinnerung wieder. Ein plötzlicher Windstoß wehte Schnee- und Eisstückchen von den Zweigen der Tanne in ihr Gesicht, aber sie rührte sich nicht. Der würzige Geruch der Tanne umhüllte sie, und sie atmete ihren Duft ein. Larson hatte damals recht gehabt. Er hatte den Baum genau an der richtigen Stelle gepflanzt. Weit genug von der Hütte weg, um ihm Raum zu lassen, dass er seine Wurzeln ausbreiten und wachsen konnte. Weit genug, sodass sie sich an ihrem Küchenfenster vorbeugen und seine Größe und Schönheit genießen konnte, aber so nahe, dass sie die Vögel in den Zweigen singen hörte.
Kathryn schloss die Augen, die sich mit Tränen füllten. Wo bist du, Larson? Sie war die Ereignisse ihres letzten gemeinsamen Tages unzählige Male durchgegangen und hoffte inständig, sie könnte einen Grund entdecken, warum er weggegangen war, ohne zurückzukommen. War er mit ihr unzufrieden gewesen? Die Konflikte in ihrer Ehe hatten in den letzten Monaten zugenommen. Hatte sie seine Zurückhaltung einfach als Sorge um die Ranch falsch gedeutet?
Kathryn schüttelte den Kopf und zwang sich, sich darauf zu konzentrieren, was sie mit Gewissheit über Larsons Abwesenheit wusste – und nicht auf Einbildungen und Vermutungen. Sie ging zurück, um eine letzte Ladung Holz zu holen, und überprüfte bei jedem Schritt die möglichen Gründe nach ihrem Wahrheitsgehalt.
Wenn er wirklich vorgehabt hatte, sie zu verlassen, hätte er ihr keine Nachricht geschrieben. Und er hätte an jenem Morgen auch nicht das Holz aufgefüllt. Während sie langsam zur Hütte zurückging, erinnerte sie sich an ihre letzte gemeinsame Nacht.
Sie war so schön gewesen wie schon lange nicht mehr. Larsons Zärtlichkeit hatte sie an ihre ersten gemeinsamen Jahre erinnert. Und dennoch war sie dann in der Nacht mit dem Gefühl einer so erdrückenden Einsamkeit aufgewacht, dass sie kaum atmen konnte. Sie hatte den Kopf in ihrem Kissen vergraben, damit Larson sie nicht weinen hörte. Wie hätte sie ihm ihre Tränen auch erklären sollen, wenn sie sich selbst kaum verstand?
Während sie die Holzscheite auf den Stoß stapelte, machte
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