Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
greifbar die Hütte. Vom monotonen Ticken der Uhr auf dem Kamin zu dem einsamen Teller auf dem Tisch und zum leeren Bett im anderen Zimmer – alles war genauso kahl wie ihr Herz.
Sie rollte sich auf die Seite, legte den Kopf in ihre Armbeuge und weinte. Sie weinte um alles, wonach sie sich bei ihrem Mann gesehnt und das sie nie bekommen hatte. Sie weinte um die Verheißungen des Lebens, die unerfüllt blieben, und um die Unschuld, mit der sie sie früher als selbstverständlich hingenommen hatte. Sie legte die Arme um sich, und ihr Herz sehnte sich schmerzlich nach dem Kind, das sie nie haben würde.
Die Flamme der Laterne flackerte und zischte. Das zur Neige gehende Öl erzeugte einen rötlichen Rauchfaden, bevor sich endgültig die Dunkelheit über den Raum legte.
Kathryn starrte auf die schattigen Umrisse der Hüttentür und dachte an den ersten Tag zurück, an dem sie über diese Schwelle gekommen war – in den Armen ihres Mannes. Damals hatte sie gewusst, dass Gott bei ihr war und ihre Schritte führte. Der Gott, der an jenem Tag bei ihr gewesen war, war ihr auch jetzt nahe, und er würde auch in dem Moment bei ihr sein, wenn sie ihren letzten Atemzug täte.
Ihre erstickte Stimme ertönte leise in dem stillen, leeren Raum: „Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?“ Sie klammerte sich an die Verheißung des Psalmisten: „Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.“ Diese Verheißung galt auch für Larson, wo immer er gerade war.
Kathryn lag auf dem Boden und gab ihr Leben von Neuem dem, der ihre Seele liebte, und legte ihren Kummer und ihre Sorgen am Fuß seines Kreuzes nieder.
Kapitel 4
L arson erwachte von einem kalten Gefühl, das über seine Beine und Arme zog und dem eine Hitze folgte, die so stark war, dass sie bis zu seinen Knochen durchdrang. Seine Haut kribbelte, und obwohl dieses Gefühl alles andere als angenehm war, stand es doch in keinem Verhältnis zu dem unaussprechlichen Schmerz, den er bereits durchlitten hatte.
Ein dicker Nebel hüllte seine Gedanken ein. Ein dumpfer Schmerz ergriff ihn und pochte im Rhythmus mit seinem gleichmäßigen Puls. Ihm wurde übel, und er kämpfte, um seine Augen aufzuschlagen, aber es gelang ihm nicht. Warum konnte er nichts sehen? Er befahl seinen Armen und Beinen, sich zu bewegen, aber auch auf sie war kein Verlass.
Als das gleichmäßige Trommeln der Schmerzen in ihm lauter wurde, bettelte Larson stumm, dass der Schlaf ihn zu dem Ort tragen würde, an dem die Qualen nur eine ferne Erinnerung wären und wo Kathryn auf ihn wartete.
Sein Gebet wurde erhört, denn etwas Kühles, Nasses glitt durch seine Lippen und in seine Kehle hinab. Stimmengemurmel kam wie durch einen fernen Tunnel auf ihn zu. Er wollte sich zwingen, auf die Stimmen zuzugehen, aber er konnte den Schleier, der seine Welt von der Welt dieser Stimmen trennte, nicht durchdringen.
Ein angenehmes Vergessen überrollte ihn. Er akzeptierte es und ergab sich ihm völlig.
Als er wieder aufwachte, spürte Larson, dass sich etwas verändert hatte. Was es genau war, konnte er nicht sagen. Seine Umgebung schien anders zu sein. Er war anders. Zum ersten Mal fühlte er, wie seine Lider zuckten, und wusste er, dass er wach war. Langsam schlug er die Augen auf.
Immer noch war alles um ihn herum finster. Die Dunkelheit lag wie eine dicke Decke über ihm.
Er lag flach auf dem Rücken und spürte, dass sein Körper ausgestreckt war, irgendwie anders, als er ihn in Erinnerung hatte. Er testete seine Stimme, aber die Muskeln in seinem Hals wehrten sich gegen seine Anstrengungen. Seine Kehle fühlte sich an, als habe er gemahlenen Kies verschluckt. Als er versuchte, seinen Körper zu bewegen, schossen heiße Nadelstiche an seinen Armen hinauf und an seinen Beinen hinab. Er stellte sich darauf ein, dass die brennenden Schmerzen zurückkehren und ihn wieder quälen würden. Aber sie kamen nicht.
Die Qualen hatten offenbar nachgelassen, wenigstens für den Moment.
Er lag in der Dunkelheit und hörte angestrengt auf irgendetwas, das ihm einen Hinweis darauf geben könnte, wo er sich befand. Mehr als nach allem anderen aber sehnte er sich nach den Stimmen, die er in der Vergangenheit zu hören geglaubt hatte. Oder waren sie nur Teil seines Traums gewesen?
Eines aber wusste er ganz sicher: Er lebte!
Er versuchte sich zu erinnern, was vor diesem Albtraum als Letztes passiert war. Die Erinnerung blieb
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