Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
Jennings starrte die Tür an. Der laute Schlag, unter dem sie noch erbebte, hallte in ihrer Brust wider. Obwohl Larsons emotionaler Rückzug sie nicht mehr überraschte, kostete es sie jedes Mal ein kleines Stück ihres Herzens. Sie drückte sich die Hand auf den Mund und dachte an seinen Kuss.
Sie schloss kurz die Augen und wünschte – nicht zum ersten Mal – dass Larson wirklich sie begehren würde, so wie sie war, und nicht nur ihre Zuneigung. Käme je der Tag, an dem er sie ganz an sich heranlassen würde? An dem er ihr anvertrauen würde, was ihn quälte, die Dämonen, mit denen er im Schlaf rang?
Sie schaute auf ihre Hände hinab, die sie vor ihrem Bauch fest gefaltet hatte. In vielen Nächten hatte sie ihn festgehalten, wenn er zwischen Schlafen und Wachen vollkommen durcheinander gewesen war und fantasiert hatte. Wenn er über seine Mutter gestöhnt hatte, die längst gestorben und begraben war, tot, aber nicht vergessen, nicht vergeben.
Da sie wusste, dass er bald wieder gereizt zurückkäme, ging Kathryn daran, das Abendessen fertig vorzubereiten. Sie gab einen Klecks Butter auf die Kartoffeln, übergoss den Schinken und blätterte die Seiten ihrer Erinnerungen zu glücklicheren Tagen zurück. Zum ersten Tag, an dem sie Larson gesehen hatte. Selbst damals hatte sie das Gefühl gehabt, dass ein Teil von ihm verborgen, weggesperrt war. Aber sie war jung und idealistisch gewesen und hatte seine Verschlossenheit als Herausforderung verstanden. Sie war sich sicher gewesen, dass sie den Schlüssel zu seinem Herzen hätte. Die Zeit hatte ihr diese Zuversicht geraubt.
Sie holte zwei Porzellanteller aus der Geschirrtruhe, die sie nur bei ganz besonderen Gelegenheiten benutzte. Obwohl ihre Blockhütte tief im Winter versunken am Fuß der Rocky Mountains lag und meilenweit von ihren nächsten Nachbarn und von der Stadt Willow Springs entfernt war, vergaß sie keine Feiertage. Und dieser Feiertag war der schönste im Jahr.
Eine halbe Stunde später saßen sie einander gegenüber am Tisch und rührten das liebevoll zubereitete Essen kaum an. Von der Festtagsstimmung, die Kathryn sich heute Morgen noch erhofft hatte, war nicht das Geringste zu spüren.
„Was hast du Duncan heute Nachmittag erzählt?“, brach Larson mit ungewöhnlich leiser Stimme das Schweigen.
Kathryn blickte auf und runzelte fragend die Stirn.
Er betrachtete sie einen Moment, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Teller. „Hast du ihm von der Ranch erzählt?“
Sie schüttelte den Kopf und schluckte. Sie verstand erst jetzt, was er mit seiner Frage meinte. „Nein, das habe ich nicht“, sagte sie leise und wusste, dass ihre Antwort ihm wehtun würde. Zweifellos hatte Duncan es von anderen gehört, was bedeutete, dass es um die Ranch schlimmer stehen musste, als sie gedacht hatte.
Larson schob seinen Stuhl vom Tisch zurück und stand auf. Ein unsichtbares Gewicht lastete auf seinen breiten Schultern und ließ ihn älter aussehen, als er war. „Ich verkaufe einige Pferde, damit wir über die Runden kommen. Und wenn wir im Frühling auf den Markt gehen, sollten wir es wieder ein Jahr schaffen.“
Kathryn nickte und wandte den Blick ab. Diese Nachricht ernüchterte sie. Da sie fühlte, dass ihr Mann sie beobachtete, schaute sie ihn lächelnd an und hoffte, sie sähe überzeugend aus. „Ich weiß, dass wir es schaffen werden.“
Larson ging zur Tür und schlüpfte in seine Jacke. Er legte die Hand auf den Türgriff und sagte, ohne den Kopf zu ihr umzudrehen: „Das Essen heute Abend war gut, Kathryn. Wirklich gut.“ Er seufzte. „Ich muss noch etwas arbeiten. Geh doch schon mal ins Bett.“
Sie räumte den Tisch ab und spülte das Geschirr. Als sie die Porzellanteller spülte, strich sie mit einem Finger über den Goldrand. Die Teller waren ein Geschenk ihrer Mutter vor vier Jahren gewesen. Nur zwei waren unbeschädigt angekommen. Aber sie waren das letzte Geschenk, das Elizabeth Cummings ihrer Tochter vor ihrem Tod gemacht hatte, und das Wissen, dass ihre Mutter dieses Geschirr berührt hatte, gab Kathryn das Gefühl, ihr ein bisschen näher zu sein. Kathryns Gedanken wanderten zu den zwei Briefen, die sie seit dem Tod ihrer Mutter an ihren Vater geschrieben hatte. Obwohl ihre Briefe nicht ungeöffnet zurückgekommen waren, war auch nie eine Antwort von William Cummings gekommen. Sein offensichtliches Desinteresse an ihrem Leben rührte immer noch alte Wunden an, auch wenn Kathryn sich damit abgefunden
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