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Die Rückkehr des Fremden (German Edition)

Die Rückkehr des Fremden (German Edition)

Titel: Die Rückkehr des Fremden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Alexander
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du etwas für mich?“ Annabelle zog eine Braue in die Höhe und betrachtete die Stofftasche in Kathryns Hand. Kathryn reichte sie ihr. Annabelle öffnete die Tasche nahe vor ihrem Gesicht und atmete tief ein. „Hmm, Brotpudding?“ Sie folgte Kathryn hinein und lehnte sich an eine Kiste, während sie mit den Fingern ein Stück abriss. „Ich bin schon eine gute Weile hier und habe gesehen, wie ein Mann mehrmals an deine Tür klopfte. Aber er hat mich nicht gesehen. Ich wollte nicht, dass er einen falschen Eindruck bekommt und meint, wir wären Bekannte oder so.“
    Annabelle lächelte, aber Kathryn hörte den ernsten Ton aus ihren Worten heraus.
    „Ich kann dir sagen, dass dieser Mann sehr gut aussah.“ Annabelle zog die letzten Worte in die Länge und benetzte sich die Lippen.
    Kathryn schaute zur Tür zurück und ihre erloschene Hoffnung wollte neu aufkeimen. Konnte es Larson gewesen sein? „Du hast ihn nicht erkannt?“
    Annabelle schüttelte den Kopf. „Nein, ich würde mich bestimmt an ihn erinnern. Groß, dunkle Haare, ungefähr bis zu den Schultern, und er hatte ein gewisses …“ Sie nahm wieder einen Bissen von dem Brotpudding und brach ab, als suche sie das richtige Wort. „Ich weiß nicht … Selbstvertrauen. Nicht böse oder gemein, verstehst du. Einfach selbstsicher. Du weißt schon, als wüsste er etwas, das der Rest der Welt nicht weiß.“
    Ein Klopfen an der Tür ließ sie beide zusammenzucken. Kathryn zwang sich zu einem Lachen, als sie Annabelles große, erwartungsvolle Augen sah. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie kaum die Tür öffnen konnte.
    Matthew Taylor stand mit seinem Hut in der Hand im Türrahmen. Sein Blick war traurig, seine Miene ernst. „Mrs Jennings.“ Sein Lächeln wirkte gezwungen. „Ich war schon vor einer Weile hier, aber Sie waren anscheinend noch nicht zu Hause.“
    Seine tonlose Stimme machte Kathryn hellhörig. „Ich bin erst vor ein paar Minuten gekommen. Mr Taylor, geht es Ihnen gut?“
    „Ja, Madam. Mir geht es gut. Aber …“ Er sah an ihr vorbei. „Dürfte ich eine Minute hereinkommen?“
    Sie nickte und zog die Tür auf. „Ja, natürlich.“ Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Annabelle schnell gehen wollte. „Annabelle, bitte bleib. Mr Taylor“, sagte sie und deutete mit der Hand in Annabelles Richtung. Sie war dankbar, dass Annabelle da war, fragte sich aber, wie Matthew auf sie reagieren würde. Matthew war ein anständiger, gottesfürchtiger Mann, und Annabelle war … nun ja, Annabelle war Annabelle. Ihre Kleidung, ihre mit Rouge gefärbten Wangen und ihre bemalten Lippen verrieten nur allzu deutlich ihren Beruf. „Das ist Miss Annabelle Grayson, eine Freundin von mir“, fügte Kathryn betont hinzu und hoffte, Matthew würde ihrem Beispiel folgen und Annabelle, obwohl es nicht üblich war, höflich begrüßen. „Annabelle, das ist Mr Matthew Taylor. Mr Taylor war Vorarbeiter auf der Ranch meines Mannes. Auf unserer Ranch.“
    „Es freut mich, Sie kennenzulernen, Mr Taylor.“
    Als keine Antwort kam, sah Kathryn Matthew an. Sie bemerkte, wie sein Blick schnell an Annabelles Körper hinabwanderte – nicht auf verurteilende Weise, sondern so, als habe er Mühe zu begreifen, was sie hier machte. Seine Gesichtszüge verrieten seine Überraschung und auch seinen Schock. Er blickte Kathryn an und sie erkannte das, was sie in seinen Augen sah. Ihr Gefühl für Anstand war genauso beleidigt gewesen, als sie das erste Mal begriffen hatte, womit Annabelle ihren Lebensunterhalt verdiente. Kathryn konzentrierte ihre Aufmerksamkeit wieder auf Annabelle und litt im Stillen mit ihrer Freundin, als das Lächeln auf Annabelles Gesicht allmählich verschwand.
    Kathryn überlegte, was sie sagen könnte, um das bedrückende Schweigen, das sich im Raum ausgebreitet hatte, zu durchbrechen.
    Matthew gelang schließlich ein kurzes Kopfnicken. „Miss Grayson … es ist schön …“ Er zögerte, und seine Lippen bildeten eine harte Linie, als schaffe er es nicht, die Worte über seine Lippen zu bringen. „Es ist schön, dass Sie in Mrs Jennings eine so gute Freundin haben.“
    Matthews Reaktion war ehrlich, aber ihr fehlte auf eine schmerzliche Weise jede Wärme. Aber konnte Kathryn ihm daraus wirklich einen Vorwurf machen? Immerhin war Annabelle niemand, zu dem Matthew Kontakt hatte. Und wenn das anders wäre, dann hätte sie keine so hohe Achtung mehr vor Matthew. Kathryn erwartete, dass in Annabelles Augen wieder dieser eiskalte Blick treten würde, den sie

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