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Die Rückkehr des Fremden (German Edition)

Die Rückkehr des Fremden (German Edition)

Titel: Die Rückkehr des Fremden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Alexander
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Madam?“, fuhr Annabelle fort. „Sie sehen für diese frühe Tageszeit sehr hübsch aus.“ Ihr Ton hatte eine Kälte angenommen, die zu ihrem Gesichtsausdruck passte, und Kathryn sah sie überrascht an. Annabelles Worte waren glatt wie Seide, aber so scharf wie Dolche, und Mrs Hochstetlers Verachtung schien Annabelles giftige Freundlichkeit nur noch zu verstärken. Das war eine Seite an Annabelle, die Kathryn bisher noch nicht kennengelernt hatte.
    Mrs Hochstetler sah sie finster an. „Geben Sie mir Ihre Bestellung, und beeilen Sie sich.“ Sie schnippte zweimal mit den Fingern.
    „Ich habe meine Bestellung vor zwei Tagen Ihrem Mann gegeben, genau wie Sie verlangt haben. Sobald wir unsere Sachen haben, sind Sie uns wieder los.“
    Mit einem Schnauben verschwand Mrs Hochstetler durch eine Seitentür und kehrte einige Minuten später mit zwei vollgestopften Jutesäcken zurück. Sie ging unter dem Gewicht ganz gebeugt und ließ die Säcke unfreundlich vor Annabelles Füßen fallen. Ihr Mann folgte ihr mit einer Kiste auf der Schulter.
    Mr Hochstetler stellte seine Ladung auf die Theke und seufzte schwer. „Wir erwarten Barzahlung im Voraus. Genauso, wie Sie es mit dem früheren Besitzer gehandhabt haben.“
    Als Annabelle dem Mann das Geld bezahlte, wanderte sein Blick kurz zu Kathryn. Dann kniff er die Augen zusammen.
    „Guten Tag, Mr Hochstetler“, grüßte Kathryn ihn höflich und hoffte, sie könne dadurch die Spannung vertreiben. „Wir sind uns schon einmal begegnet, falls Sie sich erinnern.“
    Er starrte sie an und sein Gesicht wurde rot. Er warf einen Seitenblick auf seine Frau, deren Augen Gift versprühten.
    Kathryns Blick traf den von Annabelle. Ihre Augen sagten unmissverständlich: „Habe ich es dir nicht gesagt?“
    Sobald sie draußen waren und die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, brach Annabelle in ein lautes Gelächter aus. „Hast du den Blick in den Augen dieser alten Eule gesehen, als du sagtest, dass du ihm schon einmal begegnet bist?“ Sie lachte so sehr, dass sie Mühe hatte, die Kiste in ihren Armen festzuhalten. „Oh, das war köstlich.“
    Kathryn ging weiter. „Ich verstehe nicht, was daran so lustig sein soll.“ Ihr war vor Verlegenheit immer noch ganz heiß. Sie entschied sich lieber für die Straße, statt die Stufen zum Gehweg hinaufzusteigen. Ihre Schultern schmerzten bereits unter dem Gewicht der zwei Säcke. Da sie nicht zu spät zu ihrer Arbeit in der Herrenschneiderei kommen wollte, beschleunigte sie ihre Schritte. „Es war furchtbar, wie sie dich behandelt haben.“
    „Oh, das stört mich nicht. Daran habe ich mich gewöhnt“, sagte Annabelle mit ein wenig zu viel Fröhlichkeit in der Stimme.
    Aber Kathryn störte es. Wie konnten Menschen so heuchlerisch sein? Wie konnten sie absichtlich so grausam sein? Wie konnten sie meinen, sie wären etwas Besseres als … Sie bemerkte, dass Annabelle neben ihr langsamer geworden war. Sie drehte sich um und sah, dass Annabelle die Kiste abgestellt hatte. „Was ist?“
    Annabelles Blick war ernst und durchdringend. „Es ging nicht so sehr darum, wie sie mich behandelt haben, als vielmehr darum, wie sie dich behandelt haben … nicht wahr?“
    Ihre Worte waren für Kathryn wie ein Schlag ins Gesicht. Sie wollte schon antworten, brach dann aber ab, als sie überrascht und beschämt erkannte, dass Annabelle mit ihrer Beobachtung tatsächlich recht hatte. Sie wandte schnell den Blick ab und ihr wurde erst jetzt bewusst, wie die wenigen Menschen, die an diesem Morgen schon auf der Straße waren, sie anstarrten. Und wie sie ihnen aus dem Weg gingen, um ihnen nicht zu nahe zu kommen. „Es tut mir leid, Annabelle. Ja, das stimmt. Aber es tut mir auch weh, wie sie mit dir umgehen.“ Zweifellos wurde das Kind einer Prostituierten auch nicht anders behandelt. „Gott begegnet dir ganz anders. Er sieht uns so, wie wir sind, aber er sieht uns auch so, wie wir durch seine Gnade sein können .“
    „Aber als du begriffen hast, was ich bin, hattest du zuerst auch eine schlechte Sicht von mir.“ Sie flüsterte das gleiche Wort, das Larson benutzte, wenn er von seiner Mutter sprach. „War es nicht so?“
    Kathryn schaute Annabelle in die Augen, und die Wahrheit, die in ihren blauen Tiefen lag, traf sie zutiefst. Oh, Gott, ich schäme mich so sehr. Wie soll ich ihr darauf antworten?
    Aber sie wusste bereits, wie sie darauf antworten sollte. Mit der Wahrheit.
    Nach einem Moment nickte sie langsam. „Ja“, flüsterte sie. „Bitte vergib

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