Die Rückkehr des friedvollen Kriegers
Krieger, sondern der Weg des friedvollen Kriegers; die Reise selbst schafft den Krieger .‹«
»Socrates war immer so gut mit Worten«, sagte sie. Dann seufzte sie wehmütig: »Eine Zeitlang war ich sehr von ihm angetan.«
»Tatsächlich? Wann? Und was ist daraus geworden?«
»Nichts ist daraus geworden«, sagte sie. »Er war mit seiner eigenen Ausbildung und mit seinen Schülern beschäftigt, und ich hatte auch viel zu tun. Und obwohl er mich respektierte und mochte, glaube ich nicht, daß er das gleiche für mich empfunden hat wie ich für ihn. Außer meinem verstorbenen Mann Bradford hatten nicht viele Männer etwas für mich übrig.«
Das fand ich traurig und ungerecht. »Mama Chia«, sagte ich galant, »Ich glaube, wenn ich ein paar Jahre älter wäre, würde ich dir den Hof machen.«
»Das ist sehr nett von dir«, sagte sie.
»Ach was – ich bin nun mal ein Schürzenjäger«, gab ich zurück. »Erzähl mir doch mehr von deinem Leben, und wie du Socrates kennengelernt hast.«
Sie dachte eine Weile nach. Dann sagte sie: »Vielleicht ein andermal. Im Augenblick muß ich mich um andere Dinge kümmern – und ich glaube, du brauchst noch ein bißchen Zeit, um das zu verarbeiten, was du alles gelernt hast, ehe …« Sie unterbrach sich. »Ehe wir sehen, was als nächstes passiert.«
»Ich bin bereit.«
Mama Chia blickte mich ein paar Sekunden lang durchdringend an, sagte aber nichts. Sie griff nur in ihren Rucksack und warf mir ein Päckchen Macademia-Nüsse zu. »Bis morgen.« Mit diesen Worten verließ sie mich.
Ich fühlte mich zwar wirklich schon viel kräftiger, aber sie hatte recht: Für anstrengendere Unternehmungen hatte ich noch nicht die richtige Kondition. Den Rest des Vormittags verbrachte ich in einer Art Tagtraum – ich saß da und starrte die Bäume an, die meine neue Heimat hier auf Molokai umgaben. Ein beunruhigendes Gefühl wuchs in mir, aber ich konnte es noch nicht in Worte fassen. Gedankenverloren saß ich da und schmeckte kaum die kleinen Brotstückchen, die Macademia-Nüsse und die Früchte, die ich aß.
Als die Nachmittagssonne die Baumwipfel am Rande der Lichtung streifte, kam mir schließlich zum Bewußtsein, wie einsam ich war. Seltsam, dachte ich, früher war ich doch gern allein. Den größten Teil meiner Studienzeit hatte ich in selbstgewählter Einsamkeit verbracht. Aber seit ich mit diesem Surfbrett aufs Meer hinausgetrieben war und geglaubt hatte, ich würde nie wieder eine Menschenseele zu sehen bekommen, hatte sich etwas geändert. Und jetzt …
Ein fröhliches »Hallo!« riß mich aus meinen Träumereien. Sachi kam fröhlich herangehüpft. Ihr pechschwarzes Haar, kurzgeschnitten wie das von Mama Chia, tanzte und wirbelte bei jeder Bewegung um ihr Gesicht herum. Sie sprang von einem Stein auf einen Holzblock,
hüpfte zu mir herüber und legte ein kleines Päckchen neben mir auf den Boden. »Ich habe dir noch etwas Brot gebracht – selbstgebacken!«
»Danke, Sachi. Du denkst wirklich an alles.«
»Das stimmt nicht«, antwortete sie. »An so etwas brauche ich nicht zu denken, das mache ich ganz von selbst. Wie geht es dir?«
»Viel besser – jetzt, wo du vorbeigekommen bist. Ich war in der letzten Zeit so viel allein – ich fange schon an, mit mir selber zu reden.«
»Das mache ich auch manchmal«, sagte sie.
»Jetzt, wo du da bist, können wir ja beide dasitzen und jeder Selbstgespräche führen – nein, warte!« neckte ich sie. »Ich habe noch eine bessere Idee: Warum unterhalten wir uns nicht miteinander ?«
Sie lächelte über meinen etwas plumpen Versuch, witzig zu sein. »Einverstanden. Willst du den Froschteich sehen?«
»Klar.«
»Er ist nicht weit weg. Komm mit«, forderte sie mich auf und verschwand im Wald.
Sie lief ungefähr zehn Meter vor mir her und verschwand immer wieder zwischen Bäumen; ich mußte mir Mühe geben, mit ihr Schritt zu halten. Als ich sie einholte, saß sie auf einem großen Felsen und zeigte auf ein paar Frösche. Der eine begrüßte uns mit einem lauten Quaken.
»Du hast recht; das sind wirklich wunderschöne Frösche.«
»Das da drüben ist die Froschkönigin«, zeigte sie. »Und den hier nenne ich ›alter Griesgram‹, weil er immer weghüpft, wenn ich ihn streicheln will.« Behutsam streckte Sachi die Hand aus und streichelte einen der Frösche. »Mein Bruder füttert sie immer – aber ich hab nicht mehr gern krabbelnde, klebrige Käfer in der Tasche. Früher hat mir das nichts ausgemacht, aber jetzt
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