Die Rückkehr des friedvollen Kriegers
es kann dir nur schmerzhafte Körperbotschaften senden, um dich auf sich aufmerksam zu machen. Beten allein reicht nicht immer aus. Du mußt tun, was du kannst, um deinen Körper bei seinem Heilungsprozeß zu unterstützen. Der Kardinal Francis Spellman hat einmal gesagt: ›Bete, als hinge alles von Gott ab, und arbeite, als hinge alles vom Menschen ab.‹«
Ich betrachtete Mama Chia mit wachsendem Erstaunen und immer größerer Bewunderung. »Wie kommt es, daß du soviel weißt, Mama Chia? Wo hast du das alles gelernt?«
Lange Zeit antwortete sie nicht auf meine Frage. Schweigend saß sie im Licht des Feuers da. Ich warf ihr einen Blick zu; ich dachte, sie sei eingeschlafen. Doch ihre Augen waren weit geöffnet, als
starre sie in eine andere Welt hinein. Endlich sagte sie: »Ich werde heute abend darüber nachdenken. Vielleicht erzähle ich dir morgen ein bißchen mehr von meiner Lebensgeschichte. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.« Mit diesen Worten drehte sie sich auf die Seite und schlief sofort ein. Ich lag noch eine Weile wach und starrte in die Glut, die langsam zu Asche wurde; dann fielen auch mir die Augen zu.
9
DER SCHMIED UND SEIN EISEN
Gott tröstet die Beunruhigten und stört die Ruhigen auf.
SPRICHWORT
Am nächsten Morgen half mir eine erfrischende Dusche unter dem Wasserfall, die Steife aus meinen Beinen, meinem Rücken und meinen Schultern zu vertreiben. Ich war zwar immer noch nicht ganz bei Kräften; doch durch meine einfache Ernährung und die viele Bewegung im Freien fühlte ich mich so vital wie schon seit Jahren nicht mehr.
Nach einem kleinen Frühstück, das aus Papayas, Bananen und einem Morgentrunk aus dem Wasserfall bestand, wanderten wir weiter über den Bergrücken aus Vulkanfelsen, der vor einer Million Jahren aus dem Meer hervorgebrochen war. Wir atmeten im Rhythmus unserer Schritte. Mama Chia kannte dieses Gebirge offensichtlich sehr gut; sie schien an jeder Biegung den richtigen Weg zu wissen.
Während wir wanderten, bat ich Mama Chia noch einmal, mir etwas mehr über ihr Leben zu erzählen.
»Im allgemeinen rede ich nicht viel darüber«, meinte sie. »Aber ich habe das Gefühl, für dich wäre es wichtig, ein bißchen mehr über mich zu wissen.«
»Warum?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, daß du eines Tages ein Buch über deine Reise schreiben wirst, um anderen Menschen damit zu helfen – und in diesem Buch wirst du vielleicht auch mich erwähnen wollen.«
»Vielleicht wirst du dann berühmt und trittst im Fernsehen für Bierreklame auf!« neckte ich sie.
»Du weißt genau, daß ich das niemals tun würde«, lächelte sie, »ich bleibe lieber unbekannt. Es ist nur so, daß das Leben eines Menschen einen anderen vielleicht inspirieren kann.«
»Also gut – ich höre«, sagte ich und hielt mich dicht hinter ihr auf dem Pfad, der immer schmaler wurde.
»Im Jahr 1910 kam ich hier auf Molokai zur Welt«, begann sie. »Mein Vater war halb hawaiianischer, halb japanischer Herkunft, genau wie meine Mutter. Ich trage ein großes Erbe in einem schwächlichen Körper – genau wie diese Insel«, sagte sie und hielt ihren Bambusstock in die Höhe.
»Dein Körper ist kräftig genug«, gab ich zurück. »Ich kann kaum mit dir Schritt halten.«
Sie nickte und lächelte. »Jack London hat einmal geschrieben: ›Im Leben kommt es nicht immer darauf an, gute Karten zu haben; manchmal muß man auch in der Lage sein, aus einem schlechten Blatt etwas zu machen.‹ Wahrscheinlich habe ich aus meinen Karten das Beste gemacht, was ich konnte. Als Kind war ich meistens müde und erschöpft. Ich hatte viele Allergien und wurde häufig krank. Oft mußte ich im Bett liegen und konnte nicht regelmäßig zur Schule gehen.
Mein Vater erzählte mir immer, daß Teddy Roosevelt auch ein kränkliches, empfindliches Kind gewesen sei, sich aber dann zu einem richtigen ›Haudegen‹ entwickelt habe und schließlich Präsident der Vereinigten Staaten geworden sei. Diese Geschichten meines Vaters gaben mir Hoffnung; aber mein Körper wurde trotzdem immer gebrechlicher.«
Mama Chia nahm ein paar Macademia-Nüsse aus ihrem Rucksack, teilte sie mit mir und erzählte weiter: »Als ich sieben Jahre alt war, hörten meine Eltern von einem kahuna kupua – einem Schamanen – namens Papa Kahili. Er sollte enorme Heilkräfte haben, und alle, die ihn kannten, verehrten ihn. Sein Ansehen wuchs besonders bei jenen, die die alten Überlieferungen kannten.
Als fromme
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