Die Rückkehr des friedvollen Kriegers
Nichts wie weg hier.
Im nächsten Augenblick stand ich vor einer Hütte in Afrika und blickte durch den Eingang auf einen sehr alten Mann, der sich nur mühsam bewegen konnte. Er versuchte, einem kleinen Baby mit aufgetriebenem Bauch und aufgesprungenen Lippen, dessen Rippen aussahen, als wollten sie im nächsten Augenblick die Haut durchstechen, etwas Wasser einzuflößen.
»Um Himmels willen, was ist das?« rief ich laut. Ich hatte das Gefühl, in die Hölle zurückgekehrt zu sein. »Was haben diese Menschen
mit mir zu tun? Hol mich hier weg! Ich ertrage das nicht! Ich will nichts mehr davon sehen!«
Mit geschlossenen Augen schüttelte ich den Kopf, um die Erinnerung an diese Menschen und ihre Leiden loszuwerden. Da hörte ich eine Stimme nach mir rufen – immer lauter. »Dan! Dan!«
Undeutlich erkannte ich Mama Chia. Sie saß neben mir unter dem Wasserfall, zog mich am Arm und schrie laut: »Dan! Komm, alter Weltmeister! Du hast bewiesen, was du beweisen mußtest.«
Ich war völlig durchnäßt und sah aus wie eine ertrunkene Katze. Halb schwankend, halb kriechend tastete ich mich hinter dem Wasserfall hervor und stammelte: »Ganz hübsch zum Besichtigen – aber wohnen möchte ich dort nicht. Schau mal« – ich wies auf meinen Nacken –, »ich glaube, ich habe Kiemen bekommen!
Brrrrrrrr!« Ich schüttelte den Kopf, um wieder klare Gedanken fassen zu können. Ich fühlte mich wie ein triefend nasser Schwamm. Einmal stolperte ich und stürzte. Während ich mich wieder aufrichtete, zeigte ich auf den Wasserfall, stellte mich in Positur wie ein Stuntman und sprach in eine imaginäre Kamera: »Macht mir das zu Hause um Himmels willen nicht nach, Kinder; ich bin ein Experte auf dem Gebiet.« Dann verdrehte ich die Augen, kippte hintenüber und verlor das Bewußtsein.
Als ich wieder zu mir kam, hatte die heiße Sonne mich schon getrocknet. Ich setzte mich auf. »Von heute an dusche ich ein Jahr lang nicht mehr«, schwor ich mir.
Ich wandte mich Mama Chia zu, die in der Nähe saß, eine saftige Mango aß und mich beobachtete.
»Damit ist doch wohl einiges bewiesen, oder nicht?« fragte ich.
»Ja«, erwiderte sie lächelnd. »Während du dort saßest wie ein Esel und dich vom Wasser beinahe erschlagen und ertränken ließest, bin ich nach Hause gegangen, habe ein Mittagsschläfchen gemacht, eine Freundin besucht, bin zurückgekommen und habe diese Mango gegessen.« Sie warf den Kern ins Gebüsch. »Damit ist tatsächlich etwas bewiesen – nämlich daß einer von uns beiden ein Narr ist.«
Dann lachte sie so herzlich, daß ihre Stimme wie Musik klang und ich mitlachen mußte.
»Du hast wirklich Mut, Dan. Das wußte ich von Anfang an. Socrates hat dir tatsächlich geholfen, Ordnung zu schaffen – die Lichter im dritten Stockwerk anzuschalten. Wenn dein Bewußtes Selbst sich jetzt entscheidet, etwas zu tun, dann weiß dein Basis-Selbst, wie ernst es dir ist, und gibt dir die nötige Energie, um es zu schaffen. Eines kann ich dir versichern«, sagte sie feierlich, »du bist ein Mensch geworden.«
»Ich bin ein Mensch geworden? Und das ist alles?«
»Das ist schon ein ganz schöner Fortschritt – es bedeutet, daß du in den ersten drei Stockwerken einen ordentlichen Hausputz gemacht hast. Du bist mit deinem Körper, mit der Welt und mit deiner Menschlichkeit in Berührung gekommen.«
»Aber irgend etwas ist unter diesem Wasserfall passiert«, erklärte ich ihr. »Ich habe all diese armen Menschen gesehen – die Kranken, die Sterbenden. Irgendwie hatte ich das Gefühl, im …«
»… vierten Stock gewesen zu sein«, beendete sie meinen Satz. »Ja, das habe ich auch gespürt – unten in der Hütte, als ich schlief.« Sie nickte, aber ihre Augen blickten ein wenig traurig.
»Und was bedeutet das? Habe ich bestanden?«
»Den Wasserfall ja. Den Durchgang zum vierten Stock – nein.«
»Und warum nicht? Was ist denn schiefgegangen?«
»Komm, gehen wir. Wir reden unterwegs darüber.«
15
DIENEN IM GEIST DER LIEBE
Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude.
Ich erwachte und sah, das Leben ist Dienen.
Ich diente und entdeckte, Dienen ist Freude.
RABINDRANATH TAGORE
Langsam wanderten wir auf dem Weg, der sich vor uns dahinschlängelte, wieder in den Wald hinab, und ich fragte: »Was ist vorhin eigentlich mit mir geschehen – als ich über den Abgrund sprang und als ich unter dem Wasserfall saß?«
Mama Chia, die vor mir her humpelte, antwortete voller Mitgefühl und
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