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Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Titel: Die Rückkehr des friedvollen Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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Meditationskissen – und verschiedene andere Kissen in zueinander passenden Farben.
    »Soll ich dir einen Eistee machen?« fragte sie.
    »Ja, gern«, sagte ich. »Kann ich dir helfen?«
    Sie lächelte. »Der Tee ist zwar für zwei gedacht; aber man braucht nicht zwei Leute, um ihn zu machen. Das Badezimmer ist dort drüben.« Sie zeigte nach links, während sie in die Küche ging. »Mach es dir gemütlich. Wenn du Lust hast, leg eine Platte auf.«
    Als ich aus dem Badezimmer kam, sah ich mich suchend nach dem Plattenspieler um. Aber ich entdeckte nur ein altes Grammophon  – eine Antiquität.
    Als Mama Chia den Tee und ein paar Papayascheiben aus der Küche brachte, wirkte sie so friedlich und gelöst – geborgen in ihrer gewohnten Umgebung –, als sei sie die ganze Zeit hier gewesen. Von der strapaziösen Wanderung quer über die Insel sah man ihr nichts mehr an.
    Als wir unseren Tee ausgetrunken hatten, trug ich das Geschirr in die Küche zurück und wusch ab. »Wir sind nur noch etwa anderthalb Kilometer von deiner Hütte entfernt«, sagte sie. »Ich nehme an, du kannst eine kleine Ruhepause gebrauchen.«
    »Ja«, stimmte ich zu. »Du sicher auch.«
    Mama Chia kniete sich wie eine Japanerin vor mir auf ein Kissen und sah mir direkt in die Augen. »Ich habe das Gefühl, dich in den letzten Tagen gut kennengelernt zu haben.«
    »Das beruht auf Gegenseitigkeit«, erwiderte ich. »Du bist ein erstaunlicher Mensch! Socrates hat wirklich eine Gabe, sich die richtigen Freunde auszusuchen!« lächelte ich.
    »Ja, die hat er«, stimmte sie zu. Wahrscheinlich meinte sie, daß er auch bei mir die richtige Wahl getroffen hatte.
    »Merkwürdig – wir kennen uns erst seit ein paar Wochen, aber eigentlich kommt es mir viel länger vor.«

    »Es ist, als hätte die Zeit gar keine Bedeutung mehr«, bestätigte sie.
    »Ja, genau – und es wird noch eine Weile dauern, bis ich alles verdaut habe, was du mir beigebracht hast«, sagte ich.
    Sie schwieg einen Augenblick. Dann sagte sie: »Vielleicht ist das der Sinn des Lebens – es gibt uns Zeit, das zu verarbeiten, was wir gelernt haben.«
    Wir saßen eine Weile schweigend da, genossen die heitere Stille ihres Hauses und freuten uns, beisammen zu sein. Einem plötzlichen Impuls folgend, sagte ich: »Ich bin dir so dankbar, Mama Chia.«
    »Mir dankbar?« Sie lachte. Offenbar fand sie das lustig oder gar absurd. »Das freut mich für dich. Dankbarkeit ist ein schönes Gefühl, das jedem Menschen guttut. Aber wenn du Durst hast und dir jemand Wasser gibt – bist du dann dem Glas dankbar oder der Person, von der du das Wasser bekommen hast?«
    »Natürlich der Person«, antwortete ich.
    »Ich bin nur das Glas«, sagte sie. »Sende deine Dankbarkeit an die Quelle.«
    »Das will ich tun, Mama Chia, aber ich weiß auch das Glas zu schätzen!«
    Wir lachten. Dann verblaßte ihr Lächeln ein wenig.
    »Ich glaube, ich sollte dir etwas sagen, Dan, nur für den Fall eines Falles …« Sie zögerte einen Augenblick. »Ich neige zu Blutgerinnseln  – da ist die Gefahr eines Gehirnschlags sehr groß. Seit meinem letzten Schlaganfall hinke ich, meine Hand zittert, und auf dem einen Auge sehe ich nicht mehr so gut. Der nächste Schlag wird tödlich sein.«
    Sie sagte das in ganz nüchternem Ton. Ich spürte, wie eine Welle des Entsetzens meinen Körper durchfuhr. »Der Arzt, der die erste Diagnose gestellt hat«, fuhr sie fort, »und der Spezialist, der sie später bestätigte, sagten beide, ich könnte ein ganz normales Leben führen – abgesehen von den üblichen Vorsichtsmaßnahmen  –, aber ich hätte dadurch eben keine sehr hohe Lebenserwartung. Die Ärzte können nicht viel machen – sie geben mir Medikamente, aber …«

    Sie saß schweigend da, während ich diese Neuigkeit zu verkraften versuchte. Ich sah ihr in die Augen, dann zu Boden, dann wieder in ihre Augen. »Gehören zu diesen ›üblichen Vorsichtsmaßnahmen‹, die die Ärzte dir empfohlen haben, auch Gewaltmärsche, die deine Kräfte bis aufs äußerste erschöpfen?«
    Mama Chia lächelte mich mitfühlend an. »Jetzt verstehst du vielleicht, warum ich dir vorher nichts davon gesagt habe.«
    »Ja – weil ich dann nie mitgegangen wäre!« Gemischte Gefühle überwältigten mich – Zorn, Besorgnis, Kummer, Angst, Gewissensbisse und das Gefühl, hintergangen worden zu sein.
    Ein bedrückendes Schweigen senkte sich über uns. »Du hast gesagt, der nächste Schlaganfall wird tödlich sein. Meinst du damit

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