Die Rueckkehr des Henry Smart
auch einen Vornamen hatte.
Im Juni 1981 kamen wir dann schließlich zusammen.
– Verbrechen ist Verbrechen ist Verbrechen, sagte Margaret Hilda Thatcher.
– Eine Fotze ist eine Fotze ist eine Fotze, sagte ich.
– Es ist nicht politisch, sagte Margaret Thatcher.
– Ist es doch, sagte Henry Smart.
Ich brüllte es von einem Laster herunter, was mir Beifall einbrachte und – eine Seltenheit in jenen Monaten – Gelächter. Ich winkte den Getreuen zu und reckte das neue Holzbein in die feuchte Luft, so hoch ich konnte. Es war aus Sperrholz, dunkel lackiert. Unter dem Gewicht eines kleinen Kindes wäre es zerbrochen, aber es war für einen alten Mann mit Kleinkindmuskeln gemacht. (Verdammt demütigend, dass ich mir das von dem IRA-Ingenieur erklären lassen musste, ehe er es mir übergab. Ich hätte ihm am liebsten mit dem Bein eins übergezogen, aber es wäre dabei in Stücke gegangen. Im Übrigen war das derselbe Typ, der auch die Düngemittelbombe erfunden hatte.) Schluss für heute, meine Suppe hatte ich mir verdient – zwei Protestversammlungen, zweimal Hetze quer durchs Land. Ich hatte meine Sache gut gemacht. Dann spürte ich schmerzhaft eine starke Hand auf meinem Arm und wurde vom Laster gezerrt.
In der Republik war es untersagt, Äußerungen von Sinn-Féin-Mitgliedern zu senden. Section 31 hieß das Verbot. Aber ich war ihr Gesicht und ihre Stimme – eine der wenige Stimmen –, weil ich nicht der Sinn Féin angehörte und mit dem dicken alten Kopf, mit den tränenden Augen und durchsichtigen Ohren weiß Gott nicht das war, was man sich unter einem aktiven Volunteer vorstellte. Ich war so was wie ein Star geworden. Man erkannte mich im Bus und wenn ich meine Rente abholte.
– Sind Sie der aus dem Fernsehen?
– Das ist der Alte mit dem Hut und dem Bein.
Sogar die Junkies blieben auf einen Schwatz stehen.
Aber jetzt hatte der Mann mit dem Bart meinen Arm im Griff. Der Laster verdeckte uns. An den Rädern klebte Scheiße.
– Diese hübsche Rede werden sie nicht senden, sagte er.
Die Wut steckte in seinen Händen, nicht in seiner Stimme. Ich hatte mich danebenbenommen.
– Die Premierministerin von Großbritannien und Nordirland eine Fotze zu nennen, und zwar dreimal – damit kommst du nicht durch.
Er ließ meinen Arm los. Aber er war imstande, mich umzubringen. Er drohte mir mit dem Finger, wie im Scherz, so wie man ein Kind schilt, das man liebt, aber auch glatt umbringen könnte.
– Untersteh dich, sagte er. – Untersteh dich zu sagen, dass sie eine ist.
Jeden Augenblick konnte er mir jetzt den Kissenbezug über den Kopf stülpen. Ich war leichtsinnig geworden. Aber Thatcher gab mir Kraft. Ich war bald achtzig, und Thatcher hatte siebenhundert Jahre Rassenhass in mir geweckt. Sie brachte mich nachts um den Schlaf. Wenn ich Kartoffeln in mich reinstopfte, dachte ich an Margaret Thatcher.
– Je mehr Männer sterben, sagte der Mann mit dem Bart, – desto geringer ist die Wirkung. Das Land wird aufhören, sich zu empören, und unsere Softies werden sich die Jungs angucken, die in den Straßen von Belfast kämpfen, und sich sagen, dass es eben kleine Wilde sind. Der Streik wird scheitern. Diese Wochen sind entscheidend, und du hast gerade eine vertan.
– Ich dachte, das wolltet ihr, sagte ich. – Hast du selber gesagt. Politische Zielsetzungen und bewaffneter Kampf schließen sich aus.
Ich fand mich gut, als ich mich das sagen hörte, denn ich wusste noch genau, was er mir vor Monaten erzählt hatte und dass mir das damals sehr bekannt vorgekommen war. Ernie O’Malley hatte genau so argumentiert, wenn ich nicht gleich kapiert hatte, was Sache war. Und noch was: Wenn ich jetzt mit ihm stritt, würde ich was aus ihm rausholen können, etwas, was Hand und Fuß hatte, was ich den Jungs von der G Division bringen konnte.
– Wenn der Streik scheitert, sagte ich, – könnt ihr den Kampf wieder auf Kurs bringen.
Ich glaubte mir kein Wort.
– Es ist zu spät!
Ein Satz – geflüstert, aber wie gebrüllt. Ich klebte am Lastwagenrad. Er atmete tief ein.
– Es darf nicht mit einer Niederlage enden, sagte er. – Dafür stecken wir zu tief drin.
Er atmete noch mal tief. Ich fragte mich, ob er Asthma hatte oder was ihm sonst die Luft nahm.
– Der bewaffnete Kampf kann noch jahrelang weitergehen wie bisher, sagte er. – Besiegen können sie uns nicht. Aber das hier ist was anderes. Die Waffen in diesem Kampf sind Menschen, keine Kugeln, da gibt es keinen Nachschub aus Libyen oder den
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