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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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ihr erster ehrbarer Bürger.) Nur – Jack hatte das nicht wissen wollen. Der Vertrag würde kommen, und die Spaltung würde kommen. Ich würde auf der falschen Seite sein, und deshalb würde er mich ein paar Monate vorher beseitigen, ehe der Tanz richtig losging. Jack war für den Vertrag, ich dagegen. Deshalb bekam ich meinen Namen auf einem Zettel zugeschoben, und unten erwartete mich der Abgeordnete Dinny Archer, Jack Daltons Vollstrecker.
    Wir waren alte Bekannte, Dinny und ich. Seine Referenzen waren untadelig. Wir waren zusammen gewesen, als ich Detective Sergeant Smith von der G Divison erschossen hatte. Am Morgen des Bloody Sunday hatten wir das Zimmer im Hotel Gresham betreten und dort unseren Mann umgelegt, während in anderen Hotels und Schlafzimmern andere den gleichen Auftrag erfüllten. Die Jungs, die uns auf den Schultern trugen, wussten alles über jenen Tag und unseren gemeinsamen Anteil daran.
    Ich lachte wieder.
    – Gratuliere, Dinny.
    Nachdem ich ausgestiegen und mit neuem Namen unterwegs war, hatte Dinny die Seiten gewechselt. Niemand wusste, dass er einmal Auftragskiller für Jack Dalton und die anderen Verräter an der Republik gewesen war. Niemand außer mir.
    – Mal wieder in der Mary Street gewesen, Dinny? rief ich ihm über Lärm und glattrasierte Köpfe zu.
    Er antwortete nicht.
    Kommandant Denis Archer. Nicht lange nach der Mary Street war er umgeschwenkt. Dinny war ein Betonkopf geworden, ein ewig Gestriger, und nachdem die anderen Betonköpfe nach und nach gestorben waren, war er der Letzte seiner Art und das einzig überlebende Mitglied des einzig legitimen Dáil und in den Augen der Getreuen der einzige gewählte Vertreter der wahren Republik. Er behauptete sogar, der Mann zu sein, der Jack Dalton die letzte Kugel gegeben hatte, allerdings war er nicht der Einzige, der das behauptete. 1938 hatten Dinny und die wenigen anderen Betonköpfe im Parlament ihre Vollmachten an den IRA-Armeerat übertragen. Die IRA wurde die legale Regierung. Alle anderen Parlamente waren
illegale Versammlungen, die willigen Werkzeuge einer Besatzungsmacht.
1969, als die anderen alle tot waren, befürwortete Dinny den Bruch der Provisionals mit der Official IRA. Die Provos wurden die wahre Regierung – weil Dinny es so wollte.
    – Hat’s dir die Sprache verschlagen, Dinny?
    Seit sechs Monaten zogen sie mit mir und Dinny, den heiligen Reliquien, quer durchs Land, zu Kerzenmahnwachen und Wahlveranstaltungen. Endlich sahen wir uns ins Gesicht. Vielleicht zufällig. Vielleicht aber auch absichtlich – wir standen immer unter Beobachtung, Vertrauen war in der republikanischen Bewegung ein Fremdwort.
    Jetzt trennten sie uns, die dicken und die dünnen Jungs, die uns getragen hatten, und hoben uns wieder hoch und ließen uns runter.
Uh – ah – Hoch die
RA
!
Dann standen wir nebeneinander, wie die Streitwagen bei
Ben Hur.
Zwei alte Männer drehten auf den Schultern der schwitzenden republikanischen Zukunft eine Runde um den Platz. Die meiste Zeit waren wir gleichauf, stießen und schrammten uns die Beine.
Uh – ah – Hoch die
RA
!
Holz prallte auf Knochen. Fliegen Funken, wenn Tote sich begegnen? Ich hab’s in jener Nacht erlebt.
    Ich hatte gewonnen und erwartete ihn, als die Jungs müde wurden und uns absetzten. Ich sah die Unsicherheit, die er hinter der Blindheit nicht verbergen konnte, als sie ihn auf halber Höhe noch mal festhielten und dann auf die Füße stellten.
    Wir wurden beobachtet. Augen, viele Augen. Und noch mehr Augen. Und Ohren.
    Ich streckte die Hand aus.
    – Schön dich zu sehen, Dinny, sagte ich.
    Er war wirklich blind. Nicht wie Ford, der zum Sehen keine Augen gebraucht hatte. Archer sah nichts, auch nicht meine Hand. Eine jüngere, viel jüngere Hand – ein Enkel? – nahm die von Dinny, legte sie in meine und ließ los. Archer spürte, wie ich langsam nach seiner Hand griff.
    Ich rückte näher an das Gesicht und die große Ohrmuschel heran, durch die das Licht der Straßenlaterne schien.
    – Soll ich es ihnen jetzt sagen, Dinny? fragte ich. – Soll ich ihnen von der Mary Street erzählen?
    Ich rückte von seinem Ohr ab, um sein Gesicht beobachten zu können. Das änderte sich nicht, wohl aber sein Griff. Plötzlich war er es, der zupackte. Er beugte sich vor, während der Schmerz an meinem Arm hochstieg und sich in meine Schulter bohrte. Ich spürte seinen Atem, ich roch ihn – es hatte bei ihm Eier zum Abendessen gegeben und Pommes.
    – Das wirst du nicht tun, sagte

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