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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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geliebt, verflucht, gehasst. Ich versuchte, mich gegen den rührseligen Gedanken zu stemmen, der sich anschleichen wollte: Du bist zu Hause. Darauf würde ich nicht reinfallen. Ich war nicht John Ford. Ich hatte das eine Dreckloch verlassen, nur um in ein anderes zurückzukommen.
    Aber es war mein Dreckloch.
    Totaler Quatsch. Nichts war meins. Das war die ehrliche Antwort, der dicke Denkzettel, den mir Jack Dalton auf dem Zettel über den Schreibtisch geschoben hatte.
    – Alles Gute, sagte ich.
    Ich ging die holprige Straße weiter in Richtung Westen bis zu einer unübersichtlichen Kreuzung, wo ich mal mit Miss O’Shea einen Tender voller Black and Tans überfallen hatte. Ich legte keine Gedenkminute ein, sondern suchte mir die nächste Straße und lief weiter. Die Sonne stand jetzt hinter meiner linken Schulter und warf meinen Schatten über die Mauer und das Land.
    – Du bist auf dem Weg nach Cong, rief der Alte hinter mir her.
    Ich konnte es nicht lassen.
    – Ganz genau, rief ich über die Schulter.
    – Da gibt’s Amis noch und noch. Wirst dich heimisch fühlen mit deinen Stiefeln.
    – Fick dich.
    – Hab ich mal gemacht, hörte ich ihn rufen. – Da war ich aber noch jünger.
    Ich sah nicht zurück.
    – Ein Gefühl, als wenn du’s mit ’ner verdammten Trockenmauer treibst.
    Ich sah stur nach unten.
    – Voller Amis, das Kaff. Sie machen einen Film.
    Ich war auf dem richtigen Weg.
    Die erste Detonation war keine Überraschung; sie passte zur Landschaft. Ich hechtete in Richtung Graben, verfehlte ihn um anderthalb Meter, musste hinrobben und überlegte: Aus welcher Richtung war sie gekommen? Für wen war sie gedacht? In welchen Krieg war ich geraten, und Himmelherrgott noch mal, in welchem Jahr lebten wir?
    Ich wartete vergeblich auf Schüsse oder die nächste Explosion. Oder Trümmer und Schreie und herumfliegenden Schotter. Die Vögel sangen, als hätten sie nicht das gehört, was ich gehört hatte. Der Graben war kein gutes Versteck. Er war zu flach, und der Wind vom Atlantik her hatte von allem hartnäckigen Grünzeug die Spitzen abrasiert. Aber ich blieb, wo ich war.
    So langsam dämmerte es mir: Ich war nicht in einen Krieg geraten. Die Stille machte keinen Sinn.
    Der Film ... Es war eine Detonation für die Kamera gewesen.
    Aber im Drehbuch kamen keine Bomben vor. Sie hätten vorkommen sollen, und sie waren auch drin gewesen, waren aber schon draußen, als ich das erste Drehbuch in die Hand kriegte.
    Wenn nicht jemand sie wieder reingeschrieben hatte.
    Die zweite Bombe war wie die erste gedämpft und rücksichtsvoll, darauf bedacht, keinen Schaden anzurichten oder Herzen zum Rasen zu bringen. Eine Hollywood-Detonation.
    Ich stieg aus dem Graben und ging ihr nach.
    Den letzten Entwurf hätte ich gar nicht sehen dürfen.
    Die Maschine – mein erster Flug und mein letzter – jagte über die Runway von Idlewild. Ich wurde in meinen Sitz zurückgedrückt, spürte, wie der Vogel sich hob und aufhörte zu zittern. Da war nichts mehr zu machen: Ich flog nach Irland.
    Es lag vor meinen Füßen. Ich war dran gestoßen, als das Flugzeug an Höhe gewann, und jetzt guckte ich hin. Ein Drehbuch. Ich stellte meine Alligatorstiefel drauf.
    – Hat jemand dahinten mein Drehbuch gesehen? Das war Wingate Smith, Fords Schwager und Regieassistent, ein lärmendes, arrogantes Arschloch. Ich machte die Augen zu, während vor und hinter mir Hände unter den Sitzen herumgrabbelten.
    – Nö.
    – Nein.
    – Hier unten ist nichts.
    Ich hielt die Augen geschlossen. Neben mir saß niemand. Das war immer so. Der freie Platz wurde bezahlt für den Fall, dass Ford sich da hinsetzen wollte. Ich war sein IRA-Berater, konnte ja sein, dass er mich noch brauchte, während wir uns Irland näherten.
    Ich wartete, bis Smith sich wieder gesetzt hatte. Ich hatte nicht gesehen, aber gehört, wie er sich durch den Gang zwängte, unter die Sitze guckte und andere zum Suchen aufforderte. Ich hatte mir eine Decke über Beine und Füße gelegt und wusste, dass er mich in Ruhe lassen würde.
    Ich wartete, bis sich alles wieder beruhigt hatte.
    Ich machte die Augen auf. Dicht vor mir war ein hübsches Gesicht.
    – Wie geht’s, Mister Smart?
    – Danke der Nachfrage.
    Es war die Stewardess. Ihre Hand lag mit sanftem Druck auf meiner Schulter.
    Ich hatte geschlafen.
    – Wo bin ich?
    – Noch nicht am Ziel, sagte sie.
    Mir fiel das Drehbuch unter meinen Füßen ein.
    – Ich werde Mister Ford sagen, dass Sie noch unter uns weilen, sagte

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