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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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Rücken zu mir sitzen. Er hustete, es hörte sich an wie ein Test für seine Stimmbänder, und stand auf.
    Ehe er die Tür zumachte, sah ich den Spiegel und das Fenster. Das hatte ich noch nie gesehen – ein Klo, das wie ein Zimmer im Zimmer war. Mit einem schönen großen Fenster.
    Ich blieb, wo ich war. Er hatte gesagt, dass er nicht abschließen würde, und daran hielt er sich. Ich horchte. Er rührte das Fenster nicht an. Sollte er anfangen zu pfeifen, konnte ich schnell genug da sein, auch wenn ich nicht recht wusste, wozu das gut sein sollte. Ob er rauskletterte und stürzte, ob er mit dem Bein nach einem Sims angelte – alles nicht mehr wichtig. Ich war nach Cong gekommen, um den Kerl umzubringen, aber das schien lange her zu sein.
    Ich hörte, wie er an der Kette zog und spülte, hörte Wasser laufen. Sonst nichts. Aber das Wasser lief weiter. Und jetzt sah ich den Dampf, der an den Rändern aus der Klotür quoll.
    Meine kaputten Finger jaulten auf, als ich mich vom Bett stemmte. Ich fiel hin, stolperte zur Tür und stieß sie auf. Er saß auf dem Klo und weinte. Ich war schon klitschnass, der Dampf drückte mich zu Boden. Es ging eng zu, seine Beine waren im Weg. Ich drehte den Warmwasserhahn zu und schaffte es, einhändig das Fenster aufzumachen. Draußen war es schon heiß, so dass der Dampf nicht sofort zum offenen Fenster rauszog. Fords Brillengläser waren zwei weiße Wolken, und darunter liefen rasch und senkrecht die Tränen runter. Seine Pyjamahose hatte er hochgezogen, die Hände gefaltet und zwischen die Beine geklemmt. Er saß gebeugt, aber nicht zusammengesackt wie sonst so oft. Es sah aus, als ob er versuchte, was zu hören, Worte zu unterscheiden, aber da waren keine, da war nichts, als das Wasser nicht mehr lief. Kein Auto lärmte, kein Tier, das Hotel war wie ausgestorben und das Land draußen auch.
    – In Ordnung?
    Er antwortete nicht. Er hörte mich nicht.
    Ich ging zurück ins Zimmer, es war wie ein Gang durch Nieselregen, und überall, auf Holz und Glas, war Wasserdampf. Ich stieg wieder aufs Bett und rutschte auf meine Seite.
    Er weinte – na und? Ich dachte wieder daran, warum ich überhaupt hier war und warum ich ihn mit dem Rosenkranz gewürgt hatte, den ich jetzt vom Bett auf den Fußboden schubste.
    War doch scheißegal.
    Er kam raus, schritt aus dem Rand einer Wolke wie ein altertümlicher Engel in seinem seidenen Pyjama. Er lehnte sich an den Türrahmen, wie ich das in einem seiner Filme bei Wayne gesehen hatte.
    – Ich liebe dieses Land, sagte er.
    – Himmelherrgott noch mal.
    – Lass das Gelaber!
    Er kletterte aufs Bett wie ein Kind, mit den Knien voran, dann drehte er sich um und legte sich hin.
    – Das ist das Problem, sagte er. – Und das ist deine Antwort.
    – Was?
    – Ich liebe dieses Land, sagte er. – Du hast es nie geliebt.
    – Wie kann man ein Scheißland lieben?
    Ich war wieder wütend, aber ich wollte es jetzt auch wissen: Ich hatte gekämpft, aber er weinte.
    Ich zeigte auf ein Fenster.
    – Was könnte man da draußen lieben?
    – Nichts.
    – Eben.
    – Du kapierst es nicht.
    – Bäume und Wasser und Forellen.
    – Du kapierst es nicht.
    – Dann erklären Sie’s mir.
    Er deutete auf seine Schläfe, ein Stück über dem roten Mal an seinem Hals.
    – Ich liebe das, was hier drin ist, sagte er.
    – Was soll das heißen?
    – Das, womit ich aufgewachsen bin. Ich war von Anfang an Ire. Da waren die Geschichten, die meine Eltern mir erzählt haben, da waren Tanz und Musik und das Trinken. Wir waren nie echte Amerikaner. Wir waren Iren, aber Irland war Tausende von Meilen und fünfzig Jahre weit weg. Ich bin mit der Liebe zu einem Land aufgewachsen, das es nicht gab. Ich wusste nur, dass es verdammt viel besser war als das, in dem ich lebte.
    – Und was ist mit Amerika? fragte ich.
    – Ich liebe Amerika.
    – Für einen Mann, der so viel Liebe im Bauch hat, sind Sie ein ganz schön verrückter alter Wichser.
    – Ich liebe Amerika. Und du liebst es auch, Henry, Herrgott, das weißt du doch. Es nicht zu lieben ist unmöglich. Schon als ich beim ersten Mal quer durchs Land gefahren bin, auf dem Weg nach Kalifornien, meinem Schicksal entgegen, hab ich es geliebt. Die Ebenen und die Wüsten und diese Religion von früher. Alles. Aber es hat mich nie richtig reingelassen. Ich war immer Ire. Selbst meine Frau wollte nicht, dass ich Amerikaner bin, auch nicht nach unserer Heirat. Und ihr Bruder da draußen, dieser Armleuchter, der Wingate – Himmelnochmal!

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