Die Rueckkehr des Henry Smart
aufgehört zu flennen, aber er hatte sich nicht bewegt. Hatte nicht die Hände gehoben, um sich Augen oder Nase zu reiben oder an den wunden Streifen zu fassen, der sich um seinen Hals zog.
Draußen hörte ich Schritte. Sie gingen vorbei.
Ich fragte noch einmal: – Warum?
Er seufzte.
– Ehrliche Antwort?
– Yeah, sagte ich.
– Ich weiß nicht, was du meinst.
Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass er jetzt ganz ehrlich war.
– Was verstehen Sie denn nicht, verdammt noch mal? fragte ich.
– Warum du fragst, blubberte er. Da hatte ich wohl was kaputtgeschlagen. Aber dass er mich nicht anblaffte, sondern ganz normal redete, lag wohl nicht nur daran, dass die Zähne wackelten.
– Wir haben ein Drehbuch geschrieben, sagte er. – Um einen verdammten Film zu machen. Und du fragst nach dem Warum? Frag dich selber.
Ich setzte zu einer Antwort an. Ein paarmal. Um ihm die Meinung zu sagen. Aber ...
– Yeah, sagte ich.
Mehr kriegte ich erst mal nicht raus.
– Es war nicht nur ein Film, sagte ich.
Das klang richtig – und war es auch.
– Es war nie nur ein Film, sagte ich. – Das haben Sie selbst gesagt. Es war meine verdammte Story.
Er seufzte.
– Schon gut. Hör zu.
Er bewegte sich, aber nur ein bisschen. Er drehte den Kopf. Er hatte sich nicht nach seiner Brille umgesehen, die steckte noch in meiner Tasche. Aber er guckte mich an, als könnte er alles erkennen.
– Es war ein Film, sagte er. – Es war ein Film. Deine Geschichte, mein Film. Ich habe nichts unterschlagen.
– Sie haben gesagt ...
– Ich habe nichts unterschlagen, Henry.
Ein Geräusch, als wenn er Suppe schlürfte.
– Ich habe nichts verheimlicht, sagte er. – Du warst die ganze Zeit eingebunden.
Er bewegte sich nicht mehr, fasste nicht mal an seinen Mund oder sein Gesicht. Ich wusste, dass er mich nicht sehen konnte, aber irgendwie blickten mich seine Augen trotzdem an.
– Ich entschuldige mich nicht, Henry.
– Ihre Scheiß-Entschuldigung ist mir egal.
– Das stimmt nicht.
Es war keine Herausforderung, kein Affront.
– Du willst, dass ich Schuldgefühle aufbaue, sagte er. – Mir ein schlechtes Gewissen mache oder so. Aber ich denk nicht dran.
Er wartete, bis sich das gesetzt hatte.
– Es war Arbeit, sagte er. – Aber wir haben es hingekriegt. Begreif das doch.
Eine Sprungfeder unter ihm ächzte. Sofort schoss ich hoch, um mich dem Angreifer zu stellen.
– Herrje, Henry, sagte er. – Kommen Rebellen denn nie zur Ruhe? Ich leg mich jetzt hin und mach keine krummen Sachen – versprochen.
Andere Sprungfedern sangen mit.
– Du solltest auf alte Säcke wie mich nicht so einprügeln. Schätze, dass du dir zwei Finger gebrochen hast.
Er lehnte sich nicht hinten an, sondern legte sich flach hin – bereit zur Aufbahrung.
– Wo waren wir stehengeblieben? fragte er.
Ich schlug nicht zu.
– Es war ehrliche Arbeit, sagte er.
Jetzt sah er mich nicht an. Konnte er auch nicht, weil sein Kopf wieder zwischen den beiden Kissen lag.
– Oder das, was in diesem Geschäft als ehrlich gilt. Man schneidet alles zurecht, bis es passt. Und das haben wir gemacht. Wir haben ein Drehbuch geschrieben, und jetzt drehen wir den Film. Du solltest stolz auf dich sein, du Armleuchter.
Ich schlug wieder zu, versuchte aber, mich zurückzunehmen, nicht nur, weil der Schmerz in mir brummte. Ich wollte ihn nicht bestrafen, sondern nur bremsen, das begriff ich plötzlich. Ich klatschte ihm mit der flachen Hand ins Gesicht wie ein Weichei, machte ihm Angst und jagte den Schmerz meinen Arm und Nacken hoch.
– Scheiße.
– Himmelnochmal, Henry, komm wieder runter. Wir haben den Film bloß geschrieben, wir spielen nicht mit.
– Tut mir leid.
– Schon gut. Setz dich. Hierher.
Ich hörte wieder die Sprungfedern, sah, wie er sich aufrichtete und wieder hinlegte, um mir Platz zu machen.
– Ruh dich aus, sagte er. – Du hast die ganze Strecke zu Fuß gemacht, stimmt’s?
– Yeah.
– Typisch Henry. Aus Dublin.
– Nein.
– Roscommon.
– Yeah.
– Das würde ich auch schaffen, sagte er. – Setz dich.
Ich setzte mich aufs Bett, legte mich zurück, entspannte. Der Schmerz blieb noch eine Weile in der Luft hängen. Ich streckte mich aus. Wir lagen nebeneinander.
Er hatte mich besiegt. Ich konnte ihm das, was ich mit mir hatte machen lassen, nicht ankreiden, konnte meine Schuldgefühle nicht in ihn hineinprügeln. Ich machte die Augen zu.
– Das wird eine ganz große Sache, sagte er.
Plötzlich war der Name da,
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